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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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konnte den Regen hören, die kleinen Kollisionen des Wassers mit dem Fiberglasdeck, etwas Nasses auf seiner Stirn und dann noch einmal auf seinem Unterarm.
    Allmählich kehrten seine Sinne zurück, von all dem Adrenalin in Beschlag genommen, verdeckt, verstärkt. Ganz sicher war er sich nicht. Er sah zu dem Mädchen hinüber. Hohe Wangenknochen, dünn, mit ein paar Falten um die Augen. Sie sah ihn an. Hatte sie etwas gesagt? Eine plötzliche Schmerzwoge, als er versuchte, aufzustehen. Er spürte alles auf einmal, und nichts davon fühlte sich richtig an.
    Hunt schaute auf sein Bein hinunter, wo der schmale Blutstreifen hervorkam, und er konnte den Schmerz durch und durch fühlen, wie Gift in den Adern schoss er die Nervenbahnen hinauf. Er stellte das Bein auf die Probe, belastete die Wunde mehr als nötig, und er fühlte, wie der Schmerz abermals kam und etwas Neues, fast Geleeartiges, an seinem Bein hinabglitt. Laufen würde er mit dem Bein können, allerdings wusste er nicht, wie lange oder wohin.
    An den Landstreifen hatte er sich von früheren Touren her erinnert, der lange Winkel der Insel, auf einer Seite durch einen kleinen Fähranleger mit dem Festland verbunden. Es war ein Indianerreservat, zweieinhalb Stunden nördlich von Seattle. Früher hatte er hier einen Freund gehabt, einen Mann, mit dem er in Monroe bekannt gewesen war, jemand, bei dem er unterkriechen, der ihm helfen konnte, doch das war jetzt Jahre her, damals, als Hunt noch ein völlig anderer Mann gewesen war. Hunt wusste nicht einmal, ob er noch existierte – es war eine Ewigkeit her –, doch wenn er das Haus wiederfinden konnte, wenn er seinen Freund wiederfinden konnte, hoffte er, dass das als sicherer Hafen genügen würde.
    Der schmale rote Streifen rann zu Boden, und er konnte sehen, wie der Regen zu fallen und die Farbe wegzuwaschen begann. Unter dem silbernen Licht des Mondes wurde das Deck unter ihm mit der rosa Wasserfarbe seiner Wunde bespült. In einem der Schapps fand er die kleine, orangerote Notfalltasche des Bootes. Daraus holte er eine Mullbinde hervor, eine Kompresse, eine Schere und Pflaster, Wasserstoffperoxid und Jod. Einiges davon legte er auf die Konsole, den Rest reichte er dem Mädchen und wies sie an, es zu halten. Dann ruhte er sich auf dem Kapitänsstuhl aus und schnitt seine Hose auf, bis er das violette Loch quer durch seine Wade sehen konnte; das Blut war bereits zu klebrigem, dunkelrotem Schorf geronnen. Er goss das Peroxid darauf und spürte die Kälte der schäumenden Flüssigkeit, als sie ihm in den Schuh lief. Als er glaubte, es aushalten zu können, tupfte er die Wunde mit der Kompresse ab, zuckte zusammen und sah weißglühende Flecken unter seinen Augenlidern auftauchen.
    Wäre irgendjemand in diesem Moment vorbeigekommen, so hätte er den Schrei gehört, der vom Wind herbeigetragen wurde und dann jäh endete. Hunt war nicht ohnmächtig geworden, aber es war knapp gewesen. Er schraubte die Jodflasche auf und goss den Inhalt großzügig über die Wunde, fühlte, wie die eisenfarbene Flüssigkeit in das zerfetzte Fleisch eindrang. So schnell er konnte, wickelte er die Mullbinde um das Bein und befestigte das Ganze dann mit Pflasterstreifen. Sein Bein war geschwollen und pumpte unter dem Verband wie ein Ungeheuer, das auszubrechen versucht.
    Er verspürte einen kurzen Augenblick der Übelkeit. Dann war sie wieder verflogen. Alles, was irgendwie wichtig war, verwahrte er in der grell orangeroten Notfalltasche. Von der Konsole, wo er die Sachen für die Wundversorgung zurechtgelegt hatte, nahm er das Jod, das Peroxid und Verbandsmaterial und steckte es in die Tasche, zusammen mit der Schere und seinem Feuerzeug. Er öffnete das Schapp unter der Konsole und holte seine Brieftasche und sein Handy heraus. Aus einem Fach seitlich unterhalb des Gashebels nahm er die Leuchtmunition, öffnete den Verschluss der Leuchtpistole und ließ ihn dann wieder zuschnappen. Alles kam in die orangerote Tasche. Hunt zog den Reißverschluss zu und schwang sich die Tasche auf den Rücken. Dann suchte er den Boden nach der Browning ab, konnte sie jedoch nicht finden. Er machte seine ersten, schmerzhaften Schritte und hielt auf den Motor am Heck zu, wobei er darauf achtete, nicht auszurutschen. Er winkte dem Mädchen. Als sie mit ihrer Tasche in der Hand das Deck herunterkam, zeigte er ihr, was sie tun sollte.
    Mit den Händen tastete sie in dem dunklen Wasser herum. Auf der Oberfläche schwamm das kleine Treibgut des Bootes –

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