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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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am anderen Ende der Leitung hören, und sie klang eilig und ein wenig hektisch, aber nicht völlig außer Kontrolle. Eddie suchte in Noras Miene nach irgendeinem Zeichen des Erkennens. Wieder hoffte er, nichts zu entdecken.
    »Eddie ist hier«, sagte Nora und sah zu ihm auf. »Nein. Das kriege ich hin, aber der Truck?« Sie ging zum Fenster und schaute hinaus, und Eddie wusste, dass sie den Pferdeanhänger betrachtete, und er wusste ganz genau, was Hunt dachte.
    »Will er mit mir sprechen?«, fragte er. Noch immer stand er wartend in der Tür; seine Hand, die die Pistole hielt, wurde allmählich müde, und dann, als er sie gegen den Türrahmen sinken ließ, hörte er, wie der Griff kurz gegen die Wand schabte. Nora stand noch immer am Fenster und hörte Hunt zu. »Lass mich mit ihm sprechen, Nora.«
    Nora drehte sich um und sah Eddie an, doch als sie Hunt fragte, zeigte ihr Gesicht durch nichts, dass Hunt mit ihm sprechen wollte.
    »Gib mir den Hörer, Nora.« Eddie fühlte, wie sich seine Hand fester um den Pistolengriff schloss, und er löste sorgsam den Finger vom Abzug und legte ihn an den Bügel.
    Nora schaute ihn an und wandte sich dann wieder zum Fenster. »Okay«, sagte sie. »Okay. Ja, ich glaube, das kriege ich hin.« Und dann verabschiedete sie sich und legte auf.
    »Wieso wollte er nicht mit mir reden?«
    Nora drehte sich abermals um und kam aus derselben Bewegung heraus durchs Zimmer auf ihn zu. »Er hat gesagt, es ist etwas schiefgegangen. Er hat gesagt, jemand hat versucht, ihn umzubringen. Es waren nicht die von der Küstenwache oder von der DEA, sondern irgendjemand mit einem M-16 oder irgendwas Großem, der auf sein Boot geballert hat. Er sagt, er hat die Ware noch, aber er ist verletzt. Das konnte ich an seiner Stimme hören. Er wollte mir nichts dazu sagen.« Nora blieb neben Eddie stehen und blickte zu ihm auf; sein Kinn war knapp auf einer Höhe mit ihrer Nase und ihren Wangenknochen. »Ich habe gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt. Seine Stimme war ganz gepresst, so habe ich ihn noch nie gehört.« Eddie legte den Arm um sie und drückte sie im Türrahmen an sich, und er hob die Waffe, bis er den Arm zurücknehmen konnte und die 22er sich sicher hinter ihm befand.
    »Er kommt schon zurecht«, versicherte Eddie. »Ganz bestimmt.«
    ***
    Obwohl die Küstenwache aufgehört hatte zu schießen, fuhr Grady eine weite Schleife; er legte das Boot hart auf die Steuerbordseite und gab Vollgas. Dicht hinter sich konnte er sehen, wie der Kutter sich durch die Spur seines Kielwassers fraß. Er sah die Positionslichter, rot und grün, und die weiße Aura der Kabinenbeleuchtung. Wo Hunt war, wusste er nicht; im Moment war ihm das auch egal. Alles, woran er denken konnte, war, abzuhauen. In seinem kleineren Boot war er sicher schneller, aber ganz bestimmt würden sie Schlauchboote einsetzen, und wenn er nicht rasch genug die Küste erreichte, auch einen Hubschrauber. Die Lichter einer kleinen Stadt lagen direkt voraus.
    Grady hatte keine Ahnung, ob er durch kanadische oder amerikanische Gewässer fuhr, und er ließ das Boot noch schneller dahinrasen, stand aufrecht vor dem Steuerrad und spürte, wie die Patronenhülsen gegen seine Füße rollten. Ein hohles, metallisches Geräusch war zu hören, wenn die Hülsen mit der Bewegung des Bootes wieder davonrollten, und als er sich umblickte, konnte er sie alle dort sehen, wie sie sich vor dem Achterdeck zu einem kleinen Haufen auftürmten.
    Hinter ihm fiel der Kutter zurück. Land kam aus der Dunkelheit auf ihn zu, und der Bootsrumpf krachte und schürfte über den Kieselstrand; das Fiberglas splitterte unter ihm. Sein Kopf knallte gegen die Steuerkonsole, und er spürte, wie Blut emporquoll und ihm in die Augen tropfte. Die Schrauben rammten sich fest, das Geräusch von verbiegendem Metall und scharrenden Steinen. Das Boot legte sich auf die Backbordseite, den weißen Bauch auf dem Strand, während die Wellen zu ihm emporschwappten. Alles still, bis auf das Rauschen der Wellen und des Windes, der über das Steuerbordschanddeck pfiff.
    Grady wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn, dann saß er einen Augenblick lang da und betrachtete den dunklen Fleck auf seinem Hemd.
    Am Ufer konnte er Felsen und ein paar große Stücke Treibholz erkennen, und dann, ein Stück weiter, wie Gras wuchs und zu einer Straße hin anstieg, die in Abständen von hundert Metern von gelben Bogenlampen erhellt wurde. Wieder wischte er sich mit dem Hemdsärmel den Kopf. Die AR-15 lag vor

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