Schreckensbleich
Vorschein. Die Pistole ging los. Sehr leise, und die Kugel schlug dicht über dem Fernseher mit einem dumpfen Laut in die Wand. »Magie«, sagte Grady.
***
Der Anwalt saß vor den Fenstern, die sich an zwei Wänden seines Wohnzimmers entlang erstreckten, vom Boden bis zur Decke. Die Stereoanlage lief, und die Stimme des Sängers hallte hoch oben von den Deckenbalken wider. Die geisterhaften Umrisse von Booten und Inseln lösten sich aus dem grauen Nebel vor ihm. Rauchgeruch von einem Feuer, gehaltvolles Zedernholz, zu glühender Holzkohle verbrannt. Die Witterung kündigte Schnee an, jetzt kam die Kälte, und das Wetter schlug um. Er hatte den Fahrer losgeschickt, um ihm ein Mädchen zu besorgen. Das Mädchen, halb so alt wie er, hatte sich auf seinem Schoß zusammengerollt. Eine dunkle Brustwarze lugte halb aus dem Ausschnitt des Morgenmantels hervor, den er ihr gegeben hatte. Dunkles, blondgefärbtes Haar, Augenbrauen wie zwei angespitzte Stöckchen, nachgezogen und begradigt. Er trank aus dem Whiskyglas in seiner Hand und sah zu, wie die Meerenge durch die Glasscheiben vor ihm sichtbar wurde.
Das Klirren von Glas, das Mädchen schreckte auf. Der Anwalt sah, wie ein kopfgroßer Granitblock aus seiner Gartenmauer ins Wohnzimmer gerollt kam. Er fühlte den Boden darunter erzittern. Der Stein blieb auf halbem Weg zu ihm liegen; der Anwalt hatte zu viel Angst, um sich von der Stelle zu rühren. Kalter Wind drang durch das gezackte Loch, das der Granitblock in der Fensterscheibe hinterlassen hatte, die ganze Wärme im Zimmer wurde in die Welt dahinter hinausgesaugt. Keinerlei Alarm. Keine Sirene. Nichts. Leitungen gekappt. Noch immer saß der Anwalt auf der Couch, das Mädchen dicht daneben, zu benommen und verdattert, um sich zu rühren. Hatte er nicht gewusst, dass das hier kommen würde? Wusste er das nicht schon die ganze Zeit?
Er sah die dunklen Schatten von Männern jenseits der Glasscheiben. Der Holzstiel eines Vorschlaghammers schnellte durch das Loch in der Scheibe und brach den Rest des Glases aus dem Rahmen heraus; Scherben prasselten auf das Hartholz.
Der Anwalt erhob sich und hielt völlig sinnlos noch immer das Whiskyglas in der Hand. Ein Wohnzimmer mit einer großen Eckcouch, darauf das Mädchen, ein Kaminfeuer; Fenster ließen das letzte Tageslicht herein, die Stereoanlage spielte irgendeinen Oldie. Der Anwalt stand einfach nur da. Die beiden Vietnamesen stiegen durch das eingeschlagene Fenster ins Wohnzimmer. Er hörte die Glasscherben unter den Füßen der Männer knirschen. Sah ihre kalten, ungerührten Augen, geübt in der Kunst des Entsetzens. Er kannte diese Männer, wusste, dass sie einmal eine Abmachung gehabt hatten, wusste, dass es zu all dem hier gekommen war.
»Ich wollte Sie anrufen«, sagte der Anwalt.
»Wo ist das Heroin?«, fragte der erste Mann und bückte sich, um den Granitblock vom Boden aufzuheben.
Der Anwalt stammelte irgendetwas, während er zusah, wie der Stein vom Boden in die Hände des Mannes wanderte. Er fühlte, wie die Rückseiten seiner Beine die Couch berührten, die Hand des Mädchens an seinem Schenkel, die Berührung ihrer Finger.
»Zwei Mädchen«, schrie der Mann. Die grauenhafte Ader auf seiner Stirn schwoll unter der Last des Felsbrockens in seinen Händen an.
»Zwei Mädchen?«, wiederholte der Anwalt.
»Wo ist es?«
»Es ist unterwegs.«
»Von hier nach Kanada –«, sagte der Mann.
»Einen Augenblick –«
»Von Kanada hierher –«
»Augenblick.« Er merkte, wie seine Beine unter ihm nachgaben, seine Knie schlugen gegeneinander, brüchig wie versteinertes Holz.
»Auf der Suche nach unserem Heroin«, beendete der Mann seinen Satz, wobei er die ganze Zeit mit dem Granitblock in den Händen durchs Zimmer kam.
Der Stein schien schwer zu sein, er sah schwer aus, und der Anwalt beobachtete die Anspannung auf dem Gesicht des Mannes. Die Augen waren klar, fest auf ihn gerichtet. Die Knie des Anwalts knickten ein, und er sackte auf die Couch hinter ihm.
Der Mann hob den Felsbrocken über den Kopf.
»Nein«, stieß der Anwalt hervor.
Der Granitblock stieg hoch empor.
»Nein«, flehte der Anwalt. »Bitte.«
Das Mädchen schrie.
***
Der Einschlag war durch die Wand hindurch zu hören. Nora erhob sich vom Bett, ging zum Fernsehapparat und schaltete ihn aus. Durch die Wand konnte sie Eddies Fernseher hören. Dann das Öffnen der Außentür seines Zimmers und der kurze Schatten von jemandem, der am Rollo vorbeiging. Der Türknauf klapperte. Nora
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