Schreckensbleich
ging ins Bad. Sie schaute zu dem Fenster hinauf und zog es auf. Das Fenster befand sich zwei Meter über dem Boden. Sie glaubte nicht, dass sie dort hindurchpassen würde. Also ließ sie es offen und ging wieder ins Zimmer. Das Holz um den Türknauf splitterte; der Knauf war noch da, doch daneben war ein zackiges Loch. Sie legte sich neben dem Bett auf den Boden und quetschte sich darunter. Wieder das Krachen des Holzes. Sie konnte die Splitter zu Boden fallen sehen.
Die Tür ging auf. Nora sah, wie sie aufschwang und ein Paar Männerstiefel dort standen; die Spitzen waren auf sie gerichtet, dann schwenkten sie zum Badezimmer hinüber. Unter dem Bett hervor konnte sie sehen, wie er durchs Zimmer ging und hinter der Wand des Badezimmers verschwand. Der Teppich roch nach Wasserschäden und Schimmel, nach altem Plastik, und sie unterdrückte mit Gewalt ein Niesen. Sie hatte kaum genug Platz, um den Kopf zu bewegen. Die Stiefel tauchten wieder auf. Eine Weile standen sie still vor ihr. Sie stellte sich vor, dass er den Fernseher betrachtete. Was hatte er dort hinten gesehen? Den Truck? Die Pferde? Er würde annehmen, dass sie das Weite gesucht hatte.
Die Stiefel kamen direkt auf sie zu, drehten sich und zeigten jetzt auf die Kommode und den Fernseher. Sie fühlte sein Gewicht auf dem Bett, wie die Matratze über ihr zusammengepresst wurde; die eine Seite ihres Gesichts wurde in den Teppich gedrückt. Irgendetwas Krustiges auf den Fasern neben ihrem linken Ohr.
Ein kurzes Pfeifen, der Fernseher explodierte, und sie konnte Scherben zu Boden rieseln sehen. Er ließ sich rücklings aufs Bett sinken, und Nora spürte, wie sich sein Gewicht auf den Sprungfedern der Matratze verteilte; einen Augenblick lang lösten sich seine Stiefel vom Teppich. Sie fühlte, wie er sich zurück- und dann wieder vorrollte, das Bett mit seinem Gewicht prüfte, und dann war er auf den Beinen und ging zur Tür hinaus.
Nora rührte sich nicht. Sie lauschte auf das, was sie an Geräuschen hören konnte. Alles, was sie sah, waren die weißen Wände um sie herum, die Scherben vom Fernseher auf dem Teppich, die Beine des Tisches und der Stühle beim Fenster. Er hatte die Tür beim Hinausgehen nicht zugemacht, und sie konnte die Nacht dort draußen sehen, wie das Licht des Motels hinausflutete und sich auf den Parkplatz ergoss. Ein kalter Luftzug kam durch die Türöffnung und strich über den Boden. Ihr Handy steckte irgendwo unter der Bettdecke. Sie wusste nicht, ob er es gefunden hatte.
Wenn sie es nur zu fassen bekommen könnte, dachte sie, vielleicht könnte sie dann Hunt anrufen. Die Finger in den Teppich gekrallt, begann sie, sich unter dem Bett hervorzuziehen. Dabei behielt sie die offene Tür im Auge. Wo war Eddie? Diese Stille jetzt gefiel ihr nicht, es fuhren keine Autos vorbei, nichts tat sich, kein Laut auf dem Kies, ein kleiner Luftzug durch die offene Tür. Ihre Beine lagen hinter ihr, und sie versuchte, sie in dem engen Raum unter dem Bett einzusetzen, als würde sie schwimmen und mit Froschbewegungen unter dem Bett hervortauchen.
Die Tür zu Eddies Zimmer nebenan krachte aus den Angeln. Eine Hand griff nach unten und fand ihr Bein. Er zog und wehrte dabei ihr freies Bein ab, das heftig nach ihm trat. Ihre Fingernägel tief in den Teppich gekrallt, ihre Hände zuerst an den Füßen des Bettes, als sie darunter hervorrutschte, dann am Bettrahmen.
Sie spürte, wie der Teppich überall dort brannte, wo ihre Haut entblößt war – am Kinn, an der linken Wange, an Fingernägeln und Fingern. Er zog heftig, bewegte sich rückwärts in Eddies Zimmer hinüber und zerrte sie mit.
***
»Haben Sie schon mal jemanden angehalten, den Sie kannten?«, fragte Driscoll. Er saß an seinem Schreibtisch. Drake saß ihm gegenüber, zwei Kaffeetassen standen zwischen ihnen auf dem Schreibtisch. Seit drei Stunden warteten sie auf Nachricht aus dem Labor, über die Kugeln, die aus den toten Pferden geholt worden waren. Es gab für sie nichts mehr zu tun.
»Klar, die halte ich auch an.«
»Auch wenn Sie die Leute kennen?«
»So riesig ist der Bezirk nicht. Ich kenne da draußen neunzig Prozent der Autos.«
»Überrascht es Sie jemals, was die Leute so zu sagen haben?«
»Da draußen gibt’s ein paar Klugscheißer, aber meistens ist es einfach, wie es ist. Ich leg’s nicht drauf an, jemandem einen Strafzettel zu verpassen. Es ist nicht gut, rumzulaufen und den Leuten ans Bein zu pinkeln, wenn man sie später doch bloß wieder an der Bar trifft.
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