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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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Früher dachte ich mal, ich könnte so richtig hart sein. Die ersten drei oder vier Jahre hab ich das alles echt ernst genommen. Sie wissen schon, ich hab meinen Pager überall mit hingenommen, ich hab meine Pistole getragen. Vorschriften, alles. Meine Freunde haben mich immer als den Cop vorgestellt. Das hat man irgendwann satt, wissen Sie. Das Leben macht so nicht besonders viel Spaß. Niemand will mehr irgendwelchen Blödsinn anstellen.«
    »Hätten Sie den Betreffenden verhaftet?«
    »Nein. Davon rede ich eigentlich gar nicht. Es ist schon so schwierig genug. Das hat keinen Sinn. Ich neige zu dem Gedanken, dass meine Freunde so oder so Blödsinn machen werden. Ich bin lieber in der Nähe, für den Fall, dass sie am Schluss jemanden brauchen, der ihnen auf die Beine hilft. Aber ich rechne damit. Ich renne nicht rum und denke, den Typen werde ich festnehmen müssen. Selbst wenn ich den Typen kenne und weiß, der nimmt es echt genau. Es ist besser, das immer im Hinterkopf zu haben, dieses, ›Was ist, wenn …‹ – vielleicht hat seine Frau ihn verlassen, vielleicht ist er gefeuert worden. Selbst wenn man die Leute kennt, ich glaube, man muss vorbereitet sein. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich verstehe, dass Ihre Freunde Blödsinn anstellen.«
    »Okay, wie wär’s damit. Sie halten also jemanden an, Sie denken, Sie kennen den Typen, also gehen Sie hin und lächeln und gucken ins Fenster, und wumm, ballert der Sie weg. Worauf ich hinauswill, ist, statt sich an die eigenen Erwartungen zu halten, versucht man, alle gleich zu behandeln. Klar, diese Typen sind meine Freunde, die machen Blödsinn, aber wichtig ist, dass man nie überrascht ist. Der beste Rat, den mir je jemand gegeben hat, lautet: Schau auf die Hände. Das Gesicht tut dir nichts. Das, was in den Händen ist, das tut dir was. Machen Sie sich etwa Sorgen um mich?«
    »Deputy Drake, ja, ich mache mir Sorgen um Sie. Ich weiß, das hier sind Ihre Leute. Dieser Kerl und seine Pferde und seine Frau, auf die Sie so abfahren. Aber sehen Sie’s mal so. Wenn wir Glück haben und ihn schnappen, bevor die anderen ihn zu fassen kriegen, dann schauen Sie lieber gut auf die Hände.«
    ***
    Hunt fuhr über die Kreuzung, die Tankstelle und das Fast-Food-Restaurant in seinem Rückspiegel. Er bog ab und parkte neben dem Motelbüro. Hinten im Büro brannte Licht. Als er die Wagentür öffnete, spürte er die kalte Bergluft. Er mochte diesen Geruch, Pollen und Harz, wie ein Eisblock, der auf einem Küchentresen aus Holz schmolz und verdunstete, satt und mineralhaltig. Der Wind fuhr durch ein Weidendickicht, und er schaute an dem Motelgebäude entlang und sah Licht aus den Zimmerfenstern auf den Gehweg fallen. Das Blinkzeichen über ihm verhieß »Zimmer frei«.
    Wieder wurde er sich seines abgeschnittenen Hosenbeins und des Verbands an seinem Unterschenkel bewusst. Er hinkte zur Bürotür und zog sie auf. Eine Glastür mit einem hochgezogenen Faltrollo. Es gab keine Klingel, und er betrat fast geräuschlos das Büro. Zwei Stühle am Fenster, ein kleiner Beistelltisch, auf dem ein Stapel Zeitschriften und die Sonntagszeitung von letzter Woche lagen, und in der Ecke ein Kleiderständer. Er trat an den Empfangstresen und klopfte mit dem Fingerknöchel darauf. Niemand kam. Hunt konnte Licht von einer Lampe im Hinterzimmer sehen, nicht aber die Lampe selbst. Er drehte sich um und blickte zu Roys Auto hinaus. Betrachtete die gelbe Warnampel, die ganz nahe bei dem Fast-Food-Laden hing. Selbst aus dieser Entfernung spielte das Licht noch auf seiner Haut. Dann drehte er sich wieder zum Tresen um und klopfte abermals. »Hallo«, rief er.
    Er humpelte um den Tresen herum und schaute in das kleine Hinterzimmer. Dort sah er ein Bett, eine Kommode, eine Lampe auf der Kommode und ganz hinten ein einziges Fenster. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, und ein Buch lag mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten auf dem Bett. »Hallo«, rief er abermals.
    Aus dem Badezimmer kam niemand, und er stand dort in der Tür, trat jedoch nicht ins Zimmer. Er hatte ein komisches Gefühl bei dem Ganzen. Langsam wich er zurück und ging um den Tresen herum und zur Tür hinaus, wobei er sich mit dem unverletzten Bein vorwärtsschob. Seine Füße bewegten sich in einem groben Hinkrhythmus, als wären seine Schuhe aneinandergebunden. Er ging den Gehweg hinunter und blieb an jedem Fenster stehen, um hineinzusehen. Nora hatte ihm ihre Zimmernummer nicht gesagt. Er holte sein Handy hervor und rief sie

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