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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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an. Sofort war die Mailbox dran. Niemand meldete sich.
    Nach ungefähr dreißig Metern fand er die Leiche einer Frau von Mitte vierzig mit lockigem blondem Haar; sie lag zwischen zwei Autos. Der Leichnam wies etliche Einschusslöcher auf, zuletzt einen einzelnen Kopfschuss. Sie trug eine Art Kittel, braun, ärmellos und mit einem Namensschild. Hunt begriff, dass er die Angestellte gefunden hatte, die für den Empfang zuständig war. Auf dem Parkplatz konnte er die Schleifspuren im Kies ausmachen. Sie war von einer Stelle dicht vor der Bürotür über den Schotterplatz geschleppt und hier zwischen den beiden Wagen versteckt worden.
    Hunt konnte in etlichen Zimmern die Fernseher laufen hören, doch niemandem schien diese Frau auf dem Parkplatz aufgefallen zu sein, und offenbar auch nicht die Schüsse, die sie getötet hatten. Er ließ die Frau liegen und ging weiter an der Reihe der Zimmer entlang, bis er zu einem kam, bei dem der Türknauf herausgebrochen war; Holzsplitter lagen auf dem Zement des Gehwegs. Die Tür stand halb offen, und der braune Teppich war zu sehen. Ganz hinten brannte das Licht im Badezimmer, und ein wenig von diesem Licht stahl sich aus dem Zimmer auf den Schotterparkplatz.
    Wartend stand er vor der Tür und horchte, so gut er konnte. Außer den Fernsehern in den anderen Zimmern war nichts zu hören. Ohne die Tür zu berühren, schlüpfte er ins Zimmer, schob sich vorsichtig um das Türblatt herum. Drinnen fand er ein Bett vor, das ein wenig nach rechts verschoben war. Er konnte sehen, wo die gegenüberliegende Ecke von der Wand abgerückt war. Der Fernseher war zerschossen, und neben dem Bett befand sich eine offene Tür, fast aus den Angeln gerissen, die in ein Zimmer nebenan führte. Noras Kleider lagen auf der Kommode; ihre Tasche war noch kaum ausgepackt. Hunt ging hin und fuhr mit der Hand hindurch, fand aber nur Kleidungsstücke. Er wusste nicht, wonach er suchte, sein Verstand war leer; kein Gedanke außer dem, dass seine Frau verschwunden war.
    Dann ging er ins Bad und fand das Fenster offen. Er packte den Rahmen mit beiden Händen, zog sich hoch und sah hinaus auf den Fluss und die Johannisbeerbüsche. Er sah seinen Pferdeanhänger und seinen Truck. Nachdem er sich wieder auf den Boden hinabgelassen hatte, ging er zurück in das Motelzimmer und dann zu dem Raum nebenan. Der Fernseher war an. Dadurch fühlte sich das Zimmer seltsam an, als hielte sich jemand dort auf. Kein Laut, außer dem Geräusch des Fernsehers, dessen Licht von den Wänden zurückgeworfen wurde.
    Etwas auf dem Bildschirm leuchtete weiß auf und erlosch wieder. Im Zimmer brannte kein Licht. In diesem kurzen Lichtblitz hatte er den Umriss einer Gestalt gesehen, die dort drin saß. Eddie.
    Eine Minute verging, bevor Hunt das Zimmer betreten konnte. Er stand in der Tür und lauschte dem Fernseher. Die Elf-Uhr-Nachrichten liefen, es wurde vor frühen Schneefällen gewarnt. Als er hinschaute, war Eddie immer noch da. Hunt konnte sehen, wo das Blut aus der Schnittwunde geströmt war, wie ein rotes Lätzchen, auf halber Höhe um den Hals gebunden. Das Blut war herabgeronnen und auf Eddies Hemd gelaufen. Es sah klebrig aus, und als er näher kam, sah er, dass es noch nicht vollständig getrocknet war.
    Wieder versuchte er, Nora anzurufen. Mailbox. Hunt musste sich abwenden, doch selbst dann hatte er noch das Gefühl, Eddie starre ihn an.
    Die Panik kam nicht auf einen Schlag, sondern langsam, wie eine auflaufende Flut. Hunt verließ das Zimmer. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was er tun sollte. Alles war schiefgegangen. Hilflos ging er den Gehweg entlang, blieb abermals stehen und betrachtete die Hotelangestellte. Er starrte sie lange an, länger, als er eigentlich Zeit hatte, und versuchte zu entscheiden, was er tun sollte. Er wusste, dass er nicht ewig hier stehen konnte, wusste, dass er das nicht tun sollte. Seine Frau war verschwunden, Eddie war tot. Er starrte auf diese Frau hinunter, die er nicht kannte, eine Fremde, jemand, der nicht um das hier gebeten hatte. Er hatte das hier verursacht. Als er sie ansah, wurde ihm klar, dass er zu jemandem geworden war, den er nicht mehr wiedererkannte, zu jemand Schrecklichem, zu etwas, das aus dem tiefsten Abgrund hervorgezerrt worden war, ohne echtes Ziel, ein unstillbarer Durst, ein bodenloser Hunger, der nach irgendeinem Dämon in seinem Innern suchte.
    Noch immer liefen in mehreren Zimmern die Fernseher, und er hörte sie, als er vorbeihinkte. Er holte seine Schlüssel aus

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