Schrei Aus Der Ferne
Corsa besaßen: grün war bei diesem speziellen Modell eine besonders beliebte Farbe.
Während Will das Haus beobachtete, erschien in einem der oberen Fenster Licht, blass gegen den heller werdenden Himmel. Ellie Chapin saß angespannt neben ihm, Jim Straley und zwei weitere Beamte befanden sich im Wagen hinter ihnen.
»Glauben Sie, dass sie hier ist?«, fragte Ellie und brach das Schweigen.
»Das weiß ich nicht«, sagte Will.
Wenn Helen jetzt hier wäre, dachte er, hätte sie das Fenster runtergekurbelt, um noch schnell eine Zigarette zu rauchen.
Das Licht im oberen Stockwerk brannte noch, als unten ein weiteres eingeschaltet wurde.
»Aber finden wir es heraus«, sagte er.
Der Mann, der an die Tür kam, trug ein T-Shirt und Jeans und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Er war barfuß. Das Haar, das er sich recht lang hatte wachsen lassen, war zerzaust und ungekämmt. Er war mager und blass. Sein Gesicht war fahl, die Augen dunkel und flackernd, als müsste er blinzeln, um richtig wach zu werden.
Will wies sich und die beiden anderen aus, die rechts und links neben ihm standen.
»Beatrice«, sagte Pierce ausdruckslos. »Deshalb sind Sie hier.«
»Wo ist sie?«
Pierce trat einen Schritt in die mit Natursteinen geflieste Diele zurück. »Kommen Sie doch herein.«
Wills Herz machte einen Sprung, weil es so aussah, als wollte Pierce ihnen zeigen, wo sie war.
Sie folgten ihm in die große Küche, Will und Ellie Chapin. Straley blieb draußen bei den anderen Beamten, die sich bereits zu den Nebengebäuden aufmachten.
Auf einem geschwärzten Herd am anderen Ende des Raums pfiff leise ein Kessel und stieß Dampf aus.
»Wo ist sie?«, fragte Will noch einmal. »Ist sie hier?«
»Hier?«
Will ging auf ihn zu, und als er das tat, fing Pierce an zu lachen.
»Sie finden das witzig?«, sagte Will böse. »Witzig?«
»Ich lache über Sie«, sagte Pierce. »Dass Sie denken …« Er wischte sich mit der Hand über den Mund. »Sie wissen doch, was meiner Tochter passiert ist? Meinem eigenen kleinen Mädchen. Sie wissen es?«
Will nickte.
»Dann wissen Sie auch, wie sie gestorben ist. Allein. Voller Angst. Im Dunkeln.« Er schob den Ärmel seines T-Shirts hoch und kratzte sich an der Innenseite des Arms. »Sie hatte Angst im Dunkeln, wussten Sie das? Hat sie Ihnen das erzählt? Ruth, ihre Mutter. Hat sie erzählt, dass unser kleines Mädchen Angst im Dunkeln hatte?«
»Mr Pierce …«
»Ja?«
»Wissen Sie, wo Beatrice ist?«
»Natürlich nicht!« Es war ein abgerissener Schrei. »Na-tür-lich nicht.« Jede Silbe einzeln verkündet.
Er schwankte ein wenig, war plötzlich wacklig auf den Beinen und griff nach dem Tisch, um sich festzuhalten.
»Glauben Sie etwa, dass ich – nach dem, was Heather passiert ist, nach dem Verlust, den wir erlitten haben, immer noch erleiden –, glauben Sie, dass ich auf die Idee kommen könnte, jemandem Schaden zuzufügen …«
Er wandte sich ab und senkte den Kopf.
»Nicht unbedingt Schaden«, sagte Will.
»Nein, natürlich nicht. Ich will niemandem schaden, ich will helfen. Freundlich sein. Freundlich zu Ruth sein. Freundlich.« Als er sich wieder umdrehte, hatte er Tränen in den Augen. »Sie ist nie darüber hinweggekommen, wissen Sie. Über den Verlust von Heather. Sie behauptet es, aber es stimmt nicht. Ich weiß das. Über so etwas kommt man nicht hinweg. Das geht gar nicht.«
Er sah Ellie Chapin an. »Haben Sie Kinder?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und Sie?«
»Ja«, sagte Will. »Zwei.«
»Dann wissen Sie es ja.«
Haben Sie Kinder?
Roberts’ Stimme war wie ein hohles Echo, das Will nicht ignorieren konnte.
»Ich habe versucht, ihr zu helfen«, sagte Pierce. »Wirklich.«
»Ihr?«
»Ruth. Weil ich weiß, was sie empfindet. Ich bin der Einzige, der das weiß.«
»Und Sie haben ihr geholfen oder versucht zu helfen?«
»Ja.«
»Wie genau?«
»Ich habe natürlich alle informiert. Über Beatrice. Diese Gruppen im Internet, hier und im Ausland. Überall. Sie engagieren sich dafür, Eltern und Familien zu helfen, vermisste Kinder zu finden. Seit dieses kleine Mädchen in Portugal verschwunden ist, sind Dutzende entstanden, Hunderte. Sehen Sie …« Sein Blick heftete sich fast flehentlich auf Will. »Sie könnte inzwischen überall sein. Sie haben doch bestimmt Hinweise erhalten, dass sie gesehen wurde. In Amsterdam. In Griechenland. In der Türkei. Es gibt doch sicher Leute, die sie oder ein Mädchen wie sie gesehen haben.«
»Und das
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