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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Wir haben uns an Ort und Stelle im Auto geliebt. Es war, als wäre   … als wäre ein Damm gebrochen. Das klingt melodramatisch, ich weiß, wie ein Klischee, aber so war es. Ich hatte noch nie so etwas erlebt.
    Danach sahen wir uns, wann immer es ging. Wo immer es ging. Manchmal, wenn ich allein im Laden war, hängte ich das Schild ›Geschlossen‹ an die Tür und drehte den Schlüssel um. Dann gingen wir in den Lagerraum und liebten uns dort.«
    »Ihr Mann, Paul, hatte keinen Verdacht?«
    »Ich weiß es nicht. Soweit ich das beurteilen konnte, lebten beide inzwischen ihr eigenes Leben.«
    »Aber es war nicht von Dauer?«
    Markham schüttelte den Kopf. »Acht Monate oder so. Nicht einmal ein Jahr. Wir trafen uns, und plötzlich war alles anders. Sie war sehr kalt und distanziert und sagte, sie wolle ihrer Beziehung mit Paul eine Chance geben. Das hatte ich nicht erwartet, kein bisschen. Ich wurde richtig wütend und schrie sie an. Sie und Paul hätten überhaupt keine Beziehung. Ich beschuldigte sie, Spielchen mit mir zu spielen und Vorwände zu erfinden, um mich zu quälen. Dann drohte ich, Paul alles zu erzählen. Sie erwiderte, sie habe es ihm bereits gesagt, ihn um Verzeihung gebeten und versprochen, mich nicht wiederzusehen, und er habe das akzeptiert. Sie wollten in die Ferien fahren. Ägypten. Das Rote Meer. Einen neuen Anfang machen.
    Mich hat es schwer getroffen. Ich hatte eine Art Zusammenbruch. Leonard merkte, dass etwas nicht in Ordnung war. Er hat einen Vetter in Südafrika, der Herrenschneider in Kapstadt ist. Fahr hin und arbeite für ihn, sagte er, verbindedas Angenehme mit dem Nützlichen.« Markham lächelte. »Ich war vier Jahre dort.«
    »Warum sind Sie zurückgekommen?«
    »Mein Vater bekam Krebs. Wir hatten keine besonders enge Beziehung   – Leonard war mehr wie ein Vater für mich   –, aber es war ernst. Er lag im Sterben. Auch wenn man sich nicht so nahesteht, bringt einen so etwas zum Nachdenken über das Leben. Vermutlich wollte ich deshalb auch Linda wiedersehen   – ich wollte sie nur sehen, das ist alles. Ich glaube, die Geschichte war für mich einfach noch nicht abgeschlossen. Und sie lebte immer noch in Cambridge, im selben Haus wie früher.« Er warf Helen einen schnellen Seitenblick zu. »Dabei habe ich von Carl erfahren.«
    »Und Sie dachten   …«
    »Ja, wie ich schon sagte, ich glaubte, er wäre mein Sohn. Er sah Paul überhaupt nicht ähnlich, und außerdem war es nicht besonders schwer nachzurechnen. Neun Monate zurückzählen   – das kann jeder. Sie hat geschworen, dass Paul der Vater sei, und ich wollte ihr nicht glauben. Sie musste es mir erst beweisen.«
    »Und dann?«
    »Und dann redeten wir. Sie sagte, sie würde Paul verlassen. Zwischen ihnen sei nichts mehr. Sie habe es versucht, aber es sei nicht zu ändern. Sie wollte weggehen, eventuell nach Australien, neu anfangen, solange es noch ging. Auch ein neues Leben für Carl, irgendwo, wo es besser ist. Dieses Land fällt auseinander, sagte sie. Hier kann man kein Kind großziehen.«
    »Und Paul wusste es?«
    Ein zögerndes Kopfschütteln. »Sie wollte den richtigen Zeitpunkt abwarten und es ihm dann sagen.«

29
     
    »Ich hab immer geglaubt, Architekten verdienen Unsummen«, sagte Helen.
    Sie saß bei Will und Lorraine auf der Veranda, es war Sonntagnachmittag, alle drei tranken ein Glas Wein; in einer Ecke des Gartens hämmerte Jake Nägel in die Seite der Hütte, die er und Will zuvor gebaut hatten; Susie saß mit gekreuzten Beinen in der Nähe und ihre Windel schaute unter ihrem weißen Kleid hervor. Sie benutzte einen alten Esslöffel, um sorgfältig Erde in einen Blumentopf zu schaufeln, bis er voll war, dann klopfte sie die Erde fest und schaufelte sie genauso vorsichtig wieder heraus.
    »Warum lädst du Helen nicht mal ein?«, hatte Lorraine schon vor Wochen gesagt. »Zum Essen am Sonntag oder so. Ich hab sie seit Ewigkeiten nicht gesehen.«
    Und Helen war gekommen und hatte eine Flasche kalifornischen Weißwein mitgebracht. Sie ahtte sich außerdem für einen Blumenstrauß entschieden, der unter den Lichtern des Supermarkts sehr viel frischer ausgesehen hatte als hier im Freien.
    »Manchmal sind sie auch im Fernsehen«, sagte Helen jetzt. »Richard Irgendwas, der dieses komische Teil in London entworfen hat   …«
    »Die Gurke?«
    »Ja.«
    »Richard Rogers?«
    »Könnte sein.«
    »Nein, ich glaube nicht«, warf Lorraine ein. »Ich glaube, das war jemand anders.«
    »Jedenfalls, wer immer das war,

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