Schrei Aus Der Ferne
Freund?«
»Jemand fürs Grobe«, sagte Will, bevor Helen antworten konnte. »Ich glaube, das ist der Ausdruck, nach dem du suchst.«
»Will …«
»Wie geht es denn so?«, sagte Will. »Bist du neuerdings in gute Türen gelaufen?«
»Du kannst mich mal, Will!«
»Was sind denn das für Ausdrücke!«, sagte er mit einem Grinsen und hielt Jake die Ohren zu.
»Du kannst mich wirklich mal«, sagte Helen tonlos und Will lachte.
»Beachte ihn einfach nicht«, sagte Lorraine.
»Leicht gesagt!«
Etwa eine Stunde später, als das Licht schon langsam schwand, waren Lorraine und Helen in der Küche, wo sie reichlich spät die Sachen vom Mittagessen wegräumten. Will war im Garten und übte Kopfbälle mit Jake, Susie schlief auf dem Sofa und umklammerte dabei einen weißen Teddy, dem ein Ohr fehlte.
»Was hat Will damit gemeint?«, fragte Lorraine und spülte ein Glas unter dem Wasserhahn ab. »In Türen laufen?«
»Ach nichts.«
»Wirklich?«
Helen kratzte Essensreste von einem Teller, bevor sie ihn in die Spülmaschine stellte.
»Du weißt doch, wie gerne Will mich aufzieht …«
»Er klang aber ziemlich ernst.«
Helen seufzte und griff nach einem neuen Teller. »Wir haben ein bisschen rumgealbert …«
»Du und Declan – heißt er so?«
»Declan, ja. Declan Morrison. Wir haben Spielchen gespielt, und ich bin mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen. Es war ein Unfall.« Sie zuckte die Achseln. »Ich bekomme so leicht blaue Flecken. Das ist alles.«
»Spiele«, sagte Lorraine. »Was für Spiele denn?«
»Ach, weißt du …«
»Nein, mach weiter.«
»Weiter womit?«
»Sag’s mir.«
Helen grinste. »Das macht dich doch nicht etwa an?«
»Nein.«
»Also, es ist nur … nur ein bisschen Schauspielerei. Wir verkleiden uns nicht, wenn du das denkst.« Sie lachte. »Vielleicht mal ein bisschen verrückte Wäsche, aber ich verkleide mich für niemanden als Dienstmädchen. Weißt du, es ist eher so, dass ich ihn foppe und Desinteresse vortäusche. Dass ich auf etepetete mache. Oder so tue, als wäre ich allein in der Wohnung und wüsste nicht, dass er da ist – zum Beispiel gehe ich zu Bett oder komme aus der Dusche, und dann überrascht er mich.«
»Oh Gott!«
»Was?«
»Was du da beschreibst. Er überrascht dich. Das ist eine Vergewaltigungsfantasie, genau das ist es.«
»Ach, Schwachsinn!«
»Wie würdest du es denn nennen?«
»Spaß haben?«
Lorraine seufzte und schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
»Hör zu«, sagte Helen. »Es ist ein Spiel. Ich täusche etwas vor. Ich weiß, was passieren wird. Und er zwingt mich nicht, nicht in Wirklichkeit. Er tut mir nicht weh.«
»Wirklich nicht?«
»Ich hab dir doch gesagt, das war ein Unfall.«
Lorraine sah sie fest an, dann drehte sie sich um; auf dem Tisch standen immer noch ein paar Sachen, die weggeräumt werden mussten.
»Sei mal ehrlich«, sagte Helen leise, »stellst du dir nie vor, dass du ganz machtlos bist – du bist gefesselt oder wirst festgehalten –, während du gevögelt wirst?«
»Nein«, sagte Lorraine vielleicht ein bisschen zu heftig. »Nein, natürlich stelle ich mir das nicht vor. Und wenn es so wäre, würde ich mir vermutlich Hilfe suchen.«
»Das könnte schwierig werden«, sagte Helen lachend, »wenn du mit Handschellen ans Bett gefesselt bist.«
»Aha«, sagte Will, der vom Garten hereinkam. »Worüber redet ihr beiden eigentlich?«
»Frauengespräche«, antwortete Lorraine. »Darüber brauchst du dir deinen niedlichen Kopf nicht zu zerbrechen.«
»Und ich glaube«, sagte Helen und sah auf die Uhr, »dass es jetzt Zeit für mich ist, zu gehen und euch zwei Turteltauben allein zu lassen.«
»Allein?«, sagte Will, als Jake mit schmutzigem Gesicht und schmutzigen Haaren durch die Tür kam. »Vergisst du da nicht was?« Im anderen Zimmer begann sich Susie bemerkbar zu machen.
»Bis morgen früh«, sagte Helen. Sie küsste Lorraine auf die Wange. »Danke fürs Mittagessen.«
»War mir ein Vergnügen. Komm wieder, okay?«
Helen nickte.
»Ich bringe dich zum Auto«, sagte Will.
»Nicht nötig.«
Er wusste, dass sie sich eine Zigarette anzünden und vor dem Abfahren rauchen würde, sobald sie draußen war.
»Und du, junger Mann«, sagte Lorraine und zerzauste Jake die Haare. »Du musst dich waschen, bevor du zu Bett gehst. Du brauchst ein Bad. Ein schnelles Bad.«
»Oh, Mum …«
»Komm schon, dein Vater lässt es für dich ein, während ich mich um deine Schwester
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