Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey

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»Ich glaube, sie kosten vielleicht ein Pfund. Ich frage mal.«
    »Jedes Teil ein Pfund?«
    »Ja. Ist das zu viel?«
    »Nein, das ist in Ordnung.« Er nahm einen Fünf-Pfund-Schein aus seiner Börse. »Ich habe es aber leider nicht passend.«
    Ihre Finger hantierten unsicher mit der altmodischen Kasse, und als sie ihm das Wechselgeld hinhielt, rutschte es ihr aus der Hand auf die Tischplatte und rollte von dort auf den Boden.
    »Christine«, rief eine Stimme durch den Laden, »ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, antwortete sie nervös. »Ja.«
    Will wartete, während sie ungeschickt die Münzen aufhob, und belohnte sie mit einem ermutigenden Lächeln.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte sie.
    »Das ist doch kein Problem.«
    »Ich … ich hätte fragen sollen, ob Sie eine Tüte möchten.«
    »Danke, nein. Das geht so.« Das Auto schob er in die eine Tasche, den Bären in die andere. »Und vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    Die Hand ans Gesicht gelegt, wandte sie sich tief errötend ab.
    Als er wieder draußen stand, zögerte Will.
    Können Sie sich vorstellen, was passieren würde, wenn sie den Mann identifiziert, der sie missbraucht hat? Was es in ihr auslösen würde, wenn sie alles noch einmal durchmachen müsste?
    Er warf einen Blick durch das Fenster auf Christine Fell, die immer noch am Kassentisch stand.
    Es tut mir leid, Inspector … Wenn der Mann auf den Fotos derjenige ist, der meiner Tochter das angetan hat, müssen Sie ihn auf eine andere Weise zu fassen kriegen.
    Mit einem schnellen Kopfschütteln ging Will fort und beschleunigte seine Schritte, als er sich der Stelle näherte, wo er seinen Wagen geparkt hatte. Ein verschwendeter Nachmittag. Nach etwa einer Meile auf der A10 wendete er abrupt, steuerte den Wagen über den Mittelstreifen und fuhr zurück.
    Christine Fell verließ den Laden um kurz nach halb sechs. Über ihrem Pullover und Rock trug sie einen langen Regenmantel, obwohl es gar nicht nach Regen aussah.
    Will ging vorsichtig auf sie zu, weil er sie nicht unnötig erschrecken wollte.
    »Christine?«
    Sie blieb stehen und blinzelte unsicher.
    »Sie sind doch Christine Fell?«
    »J… ja. Warum? Ich weiß gar nicht …« Sie schluckte Luft.
    »Ich war vorhin im Laden.«
    »Ach ja, wie dumm von mir. Sie haben …«
    Er zeigte ihr die Sachen.
    »Sie haben den Bären gekauft. Natürlich. Und ein kleines Auto.« Sie lächelte fast. »Ist etwas nicht in Ordnung damit? Vielleicht habe ich zu viel verlangt, ich war mir nicht sicher. Oder das Wechselgeld. Habe ich Ihnen falsch rausgegeben? Es tut mir wirklich leid. Wir können zurückgehen, ich glaube, es ist noch jemand da …«
    Aber noch als sie weiterredete, als ihre Worte sich überschlugen, wurde ihr klar, dass es um etwas anderes ging.
    »Detective Inspector Grayson von der Polizei in Cambridge.« Anstelle des kleinen Bären hielt Will jetzt seinen Polizeiausweis in der Hand. »Vielleicht können wir uns irgendwo in Ruhe hinsetzen.«
    »Meine Mutter … ich treffe mich mit meiner Mutter.«
    Will nickte lächelnd. »Nur ein paar Minuten, versprochen.«
    Sanft nahm er ihren Arm.

    Das Café war in einer engen Straße, die von der Hauptstraße abging. Will hätte gedacht, dass es so etwas überhaupt nicht mehr gab: Auf der Speisekarte standen Käsetoast, pochiertes Ei auf Toast, getoastete Rosinenbrötchen oder Scones. Tee wurde in der Kanne serviert, Kaffee – der beste Nescafé – mit kalter oder warmer Milch, der weltläufige Cappuccino und der angesagte Latte macchiato waren hier unbekannt. Die Wände waren in einem scheußlichen Gelbton gestrichen, wobei der Anblick hier und da von Blumenbildern gemildert wurde, die aus bunten Stofffetzen gemacht und dann gerahmt worden waren.
    Die Bedienung unterbrach das Ausfegen des Fußbodens – wahrscheinlich schlossen sie um sechs –, um eine frische Kanne Tee für zwei zu kochen.
    »Zucker steht auf dem Tisch«, verkündete sie für den Fall, dass ihnen dieser Umstand entgangen war.
    Nachdem sie ihren Regenmantel aufgemacht, aber nicht ausgezogen hatte, sodass der Saum auf den Boden hing, fummelte Christine an den herzförmigen Knöpfen herum, die ihren Pullover schmückten, oder an den Falten ihres Rockes. Der Tee wurde in einer Metallkanne mit Klappdeckel serviert, Milch war bereits in den Tassen. »Ich habe mit Ihrer Mutter gesprochen«, sagte Will.
    »Meine Mutter …« Sie sah alarmiert aus.
    »Vor ein paar Tagen. Hat sie es nicht erwähnt?«
    Christine schüttelte