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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Sachen in den Nachrichten. Ich war nicht so ein unbedarftes, völlig naives Kind. Ich wusste Bescheid.«
    Das Taschentuch in ihren Händen war inzwischen in Fetzen gerissen.
    »Ich wusste Bescheid.«
    Sie senkte den Kopf, und Helen und Will tauschten einen schnellen Blick aus.
    »Nur um ganz sicher zu sein«, sagte Helen, »die Person, von der Inspector Grayson Ihnen vor einiger Zeit Fotos gezeigt hat, ist dieselbe, die mit Ihnen in dem Transporter weggefahren ist? Die Sie gefangen gehalten hat?«
    »Ja.« Sie sah Helen nicht an, als sie antwortete. »Ja.«
    Will legte die Fotografien   – eins, zwei, drei   – auf den Tisch. »Diese Person hier?«
    »Ja.«
    »Mitchell Roberts?«
    »Wenn das sein Name ist, ja.«
    »Und Sie sind bereit, das auch vor Gericht zu beschwören, sollte es notwendig werden?«
    »Ja.« Kaum mehr als ein Hauch.
    Janine hob den Becher Wasser, trank ein paar Schlucke und stellte ihn dann wieder ab.
    »Sind Sie sicher, dass Sie keinen Kaffee wollen?«, fragte Helen. »Wenn Sie bereit sind, eine förmliche Aussage zu machen, sind Sie vielleicht eine ganze Weile hier.«
    »Also gut, wenn es keine Mühe macht.«
    »Diesmal geh ich«, sagte Will und Helen lachte.
    »Er gibt nur an«, sagte sie.
    Janine gestattete sich ein Lächeln. Sosehr sie es auch versuchte, sie konnte sich nicht zurückhalten, auf die Fotos zu sehen. »Mitchell Roberts, sagten Sie? Das ist er?«
    »Ja.«
    »Dieses andere Mal, das der Inspector erwähnt hat   …«
    »Ein Mädchen. Er hat ein Mädchen sexuell missbraucht und vergewaltigt. Sie war zwölf Jahre alt.«
    »Genau wie ich.«
    »Ja, genau wie Sie.«
    Janine legte das Gesicht in die Hände, und dieses Mal flossen die Tränen ungehindert.
    Helen wartete, dann bot sie ihr frische Taschentücher an.
    Will kam mit Kaffee in einem ausgeliehenen Porzellanbecher in den Raum zurück. »Ich wusste nicht, ob Sie Zucker nehmen?«
    Janine schüttelte den Kopf.
    Will steckte die Fotos in ihren Umschlag zurück und ließ sie schnell verschwinden.
    »Es tut mir leid«, sagte Janine und wischte sich die Tränen weg.
    »Das muss es nicht.«
    Sie nahm noch ein Taschentuch und betupfte ihre Augen mit dem verwischten Make-up.
    »Jetzt ist alles in Ordnung, es war nur   … wissen Sie   … dass ich mich daran erinnern musste.«
    »Das verstehe ich.«
    »Es gibt etwas, das ich Sie gerne fragen würde«, sagte Helen. »Wenn das in Ordnung geht? In den Berichten steht, dass Sie damals ausgesagt haben, Sie hätten eine weitere Stimme gehört?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Ebenfalls die eines Mannes?«
    »Ja.«
    »Aber Sie haben niemanden gesehen? Außer Roberts?«
    »Nein. Und wer immer es war, ich glaube nicht, dass er die ganze Zeit dort war. Vielleicht erst gegen Ende.«
    »Und wie klang er? Was für eine Stimme hatte er? Jung? Alt?«
    »Nicht jung. Ganz normal. Mittleren Alters, nehme ich an. Vielleicht ein bisschen älter.«
    »Älter als Roberts?«
    »Möglich.« Sie senkte den Kopf. »Es tut mir leid, es ist alles so lange her, und ich habe all die Jahre versucht, mich nicht daran zu erinnern, die Sache aus meinen Gedanken zu verbannen.«
    »Ja, natürlich.«
    »Es könnte auch dieser Roberts gewesen sein, der mit sich selbst gesprochen hat. Sie müssen bedenken, ich hatte Angst. Große Angst. Diese andere Person könnte sogar nur in meiner Fantasie existiert haben.«
    »Wieso? Wieso hätten Sie sich das vorstellen sollen?«
    »Weil es bedeutet hätte, dass ich nicht allein mit diesem Mann dort war, mit Roberts. Wenn jemand anders da gewesen wäre, hätte er all diese Sachen vielleicht gar nicht mit mir machen können.«
    Helen sah weg.
    »Aber bei einer Gelegenheit bin ich ganz sicher, jemand anderen gehört zu haben, und das war gegen Ende des zweiten Tages. Der Tag, bevor er mich gehen ließ.«
    »Was war da los?«
    »Es gab einen Streit. Männer schrien sich an. Nur zwei, glaube ich. Aber ich vermute, es könnte auch einfach jemand gewesen sein, der draußen vorbeiging.«
    »Aber Sie können sich nicht an die Worte erinnern, die geschrien wurden?«
    »Nein, tut mir leid.«
    »Und das war der zweite Tag, sagten Sie?«
    »Ja. Ich weiß noch, dass ich Angst hatte, weil er   – Mitchell   – so wütend klang, und ich dachte   … Ich dachte, alles würde noch schlimmer werden. Ich glaubte, er würde böse auf mich sein.«
    »Und war er das?«
    »Nein. Das war das Komische daran. Er hat mich immer wieder gefragt, ob es mir gut ginge. Geht es dir gut? Und er war weniger grob, fast

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