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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ein italienisches Volkslied. Er blickte zur Seite, als die Tür aufging und Liane und Thomas hereinkamen. Er stand sofort auf und sagte: »Sie ist eingeschlafen. Ich gehe dann mal wieder.«
    »Sie waren lange genug hier«, entgegnete Liane. »Sie müssen sich doch auch mal ausruhen. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sie haben mehr für uns und Allegra getan als irgend jemand sonst. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das jemals wieder gutmachen kann.«
    Caffarelli sagte nur: »Es gibt nichts wieder gutzumachen, das wissen Sie auch. Ich habe es sehr gerne getan. Ciao.«
    Er ging nach draußen, fuhr nach unten und setzte sich auf sein Fahrrad. Zu Hause angekommen, begrüßte er seine Frau Anna mit einem Kuss und sagte: »Allegra ist endgültig zurückgekommen. Sie hat sogar mit uns allen gesprochen, sogar mit Herrn Brandt.«
    »Der Kommissar war auch in der Klinik?«, fragte sie mit kritischem Unterton.
    »Ich hatte ihn gebeten zu kommen. Er hat Allegra zurückgeholt, aber er will es nicht wahrhaben. Er ist ein guter Mann. Ich wünschte, ich könnte ihm mehr helfen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Anna, in dieser Stadt gibt es viele kleine und einige große Geheimnisse, das weißt du. Und ich merke, dass er nicht vorankommt. Ich habe es an seinem Gesicht gesehen.«
    »Dann hilf ihm doch, ich habe nichts dagegen. Ich frage mich nur, ob du andern damit nicht schadest.«
    »Du hast recht, und außerdem würde er es bald allein herausfinden. Ich frage mich, was besser ist, ihm alles zu erklären oder zu warten, bis er uns die Wahrheit um die Ohren schlägt. Sag mir, was ich tun soll.« Er sah seine Frau hilfesuchend an.
    »Tu, was du für richtig hältst. Ich kann dir keinen Rat geben. Nicht in diesem Fall. Ich weiß genau, was du durchmachst.« Sie nahm ihn in den Arm, und mit einem Mal fing Matteo an zu weinen, nicht laut, sondern still. Tränen liefen über sein Gesicht. Anna sagte leise: »Ich kann dich so gut verstehen.«
    »Es tut mir alles so leid.«
    »Es gibt nichts, aber auch gar nichts, was dir leid zu tun hat. Soll ich uns einen Kaffee machen?«
    Matteo nickte, nahm ein Taschentuch und wischte sich das Gesicht ab. Er hatte sich schon wieder beruhigt. »Ja, gerne. Ist Luca da?«
    »Nein, er kommt auch erst heute abend heim. Er hat gesagt,es könne spät werden. Aber bei ihm weiß man ja nie.«
    »Ich werde es ihm spätestens morgen sagen. Ich möchte nicht, dass er es von andern erfährt.«
    »Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber Wrotzeck war ein elender Schweinehund. Es tut mir nicht im Geringsten leid, dass er tot ist. Was er seiner Familie und auch andern angetan hat, das reicht für ein ewiges Schmoren in der Hölle …«
    »Anna, bitte! Er war auch nur ein Mensch, der nicht aus seiner Haut konnte …«
    »Bitte, was?! Ich hör wohl nicht richtig. Ob der nicht aus seiner Haut konnte, wage ich stark zu bezweifeln. Gekonnt hätte er mit Sicherheit, er wollte nur nicht. Er wollte andern immer nur wehtun. Betonung auf wollte. Er hat so viel Unheil angerichtet, viel zu viel Unheil. Dem geschieht’s recht, dass er … Mach dir keine Vorwürfe, denn das ist es doch, was dich so fertig macht. Du glaubst, dass du an allem schuld bist, das bist du aber nicht. Niemand kann dir einen Vorwurf machen. Also hör auf, dich selbst zu kasteien. Ich kenne keinen besseren Menschen als dich, und ich möchte auch keinen andern Mann haben. Reicht das fürs erste?«
    Anna ging in die Küche, um Kaffee zu kochen, während Matteo sich hinsetzte und nachdachte. Nach ein paar Minuten stand er auf, ging in seine Werkstatt und holte die Uhr hoch, die Brandt ihm gegeben hatte. Er zeigte sie Anna, die inzwischen den Kaffeetisch gedeckt hatte – drei Stückchen Kuchen lagen auf einem Teller, für jeden anderthalb.
    »Hier, schau dir diese Uhr an. Herr Brandt hat sie hier gelassen, damit ich sie repariere. Es ist ein Unikat.«
    Anna nahm sie in die Hand und betrachtete sie eingehend. »Sie ist wirklich schön.«
    »Es ist eine Kostbarkeit. Macht es dir etwas aus, wenn ich nach dem Kaffeetrinken in die Werkstatt gehe, um sie zu reparieren? Auch wenn Samstag ist?«
    »Verschwinde, das lenkt dich wenigstens von deinen trüben Gedanken ab.«
    Matteo trank zwei Tassen Kaffee und aß den Kuchen. Anschließend begab er sich in die Werkstatt. Er wollte Brandt nicht enttäuschen und hoffte, auch diesmal das nötige Händchen zu besitzen, womit er schon so viele Uhren repariert und restauriert hatte.

Samstag, 15.45 Uhr
    Brandt

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