Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
eben Italienerin. Und ich liebe sie. Und irgendwann sollte ich vielleicht auch mal wieder eine Kirche von innen sehen. Ich könnte meine Mutter begleiten und Sarah, Michelle und Andrea fragen, ob sie nicht Lust hätten, mitzukommen. Irgendwann.
    Brandt setzte sich wieder aufrecht hin, startete den Motor und fuhr weiter. Er wollte bei seinen Eltern vorbeischauen, sich mal wieder melden und vor allem sich zeigen, und wenn er Glück hatte, waren auch seine Töchter gerade dort, die er zuletzt vorgestern abend gesehen hatte. Und er würde ein paar Worte unter vier Augen mit seinem Vater, einem pensionierten Polizisten, wechseln.

Donnerstag, 12.50 Uhr
    Hallo, Mama«, begrüßte Brandt seine Mutter, die ihn fest an sich drückte, seinen Kopf zwischen ihre Hände nahm und ihn mit diesem vorwurfsvollen Blick aus ihren braunen Augen ansah.
    »Du kommst in letzter Zeit auch immer seltener. So viel zu tun?«
    »Mama, schau mich nicht so an, ich bin kein kleines Kind mehr. Man kann ja hier auch nicht in Ruhe in Urlaub fahren. Kaum ist man zurück, ist der ganze Schreibtisch voller Arbeit. Ich werd mich trotzdem bessern, versprochen. Sind meine Süßen da?«
    »Wir haben gerade zu Mittag gegessen. Wenn du willst, es ist noch etwas für dich übrig.«
    »Danke, ich hab wirklich Hunger.«
    Er ging ins Wohnzimmer, wo Sarah von ihrem Handy aus telefonierte (Brandt fragte sich, wann sie wieder kommen würde und Geld für eine neue Karte würde haben wollen) und erschrocken und mit hochrotem Kopf aufblickte, als sie ihren Vater sah. »Ich muss Schluss machen, tschüs«, sagte sie schnell und beendete damit das Gespräch.»Das war Christine«, erklärte sie und zerstreute damit Brandts Befürchtung, sie könnte mit Spanien telefoniert haben. Michelle saß mit ihrem Großvater vor dem Fernseher und sah sich die Mittagsnachrichten auf RTL an. Brandt hatte bei ihr festgestellt, dass sie anfing, sich für Dinge zu interessieren, die nicht nur mit Musik und Filmen zu tun hatten. Überhaupt waren die Gespräche mit ihr in den vergangenen Monaten tiefschürfender und ernster geworden. Im Gegensatz zu Sarah, deren schulische Leistungen im letzten Jahr einen leichten Abwärtstrend verzeichnet hatten, war Michelle zur Klassenbesten aufgestiegen, ohne sich großartig dafür anstrengen zu müssen. Brandt fragte sich, ob sie nicht vielleicht unterfordert war, und er spielte sogar mit dem Gedanken, sie einem IQ-Test unterziehen zu lassen und, sollte dieser entsprechend ausfallen, sie auf eine Schule für Hochbegabte zu schicken.
    Doch dies war im Moment nebensächlich, noch waren Ferien, und die Schule begann erst in gut zwei Wochen wieder. Er nahm beide in den Arm, unterhielt sich kurz mit ihnen und versprach, spätestens morgen abend, wenn Andrea sich mit Elvira Klein traf, irgendetwas mit ihnen zu unternehmen, und wenn es nur eine Lieferung durch den Pizzaservice war, dabei eine oder zwei DVDs gucken und quatschen. Und er hoffte, dass nichts dazwischenkam, denn er wusste, wie sensibel vor allem Michelle auf nicht gehaltene Versprechungen reagierte.
    »Paps, kann ich dich mal kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte er seinen Vater.
    »Gleich bin ich für dich da«, war die Antwort. Er wollte noch einen Bericht zu Ende sehen.
    »Nichts da, erst wird gegessen«, mischte sich Brandts Mutter ein, holte einen Teller aus dem Schrank und füllte in der Küche auf. Rinderbraten mit Kartoffeln und Gemüse, dazu ein Glas Bier. Er aß langsam. Fast ein Monat war vergangen, seit er zuletzt bei seinen Eltern eine Mahlzeit eingenommen hatte, weshalb es diesmal besonders gut schmeckte.
    »Das war gut«, sagte er, wischte sich mit der Serviette den Mund ab und trank sein Glas leer.
    Brandts Vater erhob sich schwerfällig. Seit einem Bandscheibenvorfall vor einem Monat, der glücklicherweise ohne Operation nur mit Spritzen behandelt werden konnte, spielte sein Rücken nicht mehr so mit, wie er das gerne wollte. Sie begaben sich in das noch immer genutzte Arbeitszimmer seines Vaters, sein kleines Reich, in das er sich zurückzog, wenn er mal allein sein wollte.
    »Was gibt’s? Unter vier Augen willst du mich doch immer nur sprechen, wenn du was auf dem Herzen hast.«
    »Also das verbitt ich mir aber«, sagte Brandt gespielt beleidigt. »Wie oft haben wir beide hier schon gesessen und uns über Gott und die Welt unterhalten. Doch diesmal will ich tatsächlich was. Ich bearbeite gerade einen ungeklärten Todesfall. Wir mussten letzte Nacht sogar eine Exhumierung

Weitere Kostenlose Bücher