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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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wieder hingelegt und die Augen zugemacht. Brandt merkte, dass er nicht weiterkam, ging nach draußen, suchte nach den Schlüsseln für die Praxis und stieg die Treppe rauf. Er klopfte an die Tür, und wenig später stand ein kleines Mädchen von höchstens fünf Jahren vor ihm. Sie sah ihn mit großen Augen an.
    »Hallo, wer bist du denn?«, fragte Brandt und ging in die Hocke.
    »Caroline. Und du?«, fragte sie mit keckem Augenaufschlag. Sie erinnerte ihn ein klein wenig an Michelle, als diese noch klein war.
    »Ich bin Peter. Kannst du mal deine Mutti holen?«
    »Hm. Mama!«
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«, hallte es zurück.
    »Hier ist jemand.«
    »Mein Gott, hat man denn niemals seine Ruhe?!« Sie kam aus der Küche, wischte sich die Hände an der Hose ab und sagte: »Sie schon wieder. Haben Sie meinen Mann gefunden?«
    »Hab ich. Er müsste dringend duschen oder baden und sich umziehen …«
    »Aber auf keinen Fall in dieser Wohnung. Hier kommt er nicht mehr rein, nie mehr!«
    »Dazu haben Sie kein Recht«, wurde sie von Brandt belehrt. »Es sei denn, Sie können einen triftigen Grund vorbringen, weshalb Sie Ihrem Mann den Zutritt zur gemeinsamen Wohnung verweigern.«
    »Ha, den kennen Sie doch wohl am besten! Zu Huren geht er, zu diesen verdammten Schlampen! Das ist doch wohl Grund genug, oder nicht?«
    Brandt schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber da muss ich Ihnen widersprechen. Es sei denn, Ihr Mann bedroht Sie oder ist Ihnen oder den Kindern gegenüber gewalttätig geworden. Ist er das?«
    »In was für einem Land lebe ich eigentlich?«, schrie sie, woraufhin zwei weitere Kinder in Schlafanzügen die Köpfe aus einem Zimmer steckten. »Der Kerl treibt sich bei Huren rum und lässt mich in dem Glauben, er wäre nur in einer Kneipe mit seinem Kumpan Wrotzeck. Aber ich werde mir einen Anwalt suchen und …«
    »Das bleibt Ihnen freigestellt, doch vorerst hat Ihr Mann jederzeit das Recht, diese Wohnung zu betreten und seine Kinder zu sehen. Ich werde ihn jetzt hochholen, er hat sich letzte Nacht ziemlich betrunken. Außerdem wäre es sehr zuvorkommend, wenn Sie ihm ein Frühstück machen würden. Und denken Sie drüber nach, ob Ihre Reaktion nicht etwas übertrieben ist, schließlich haben Sie drei Kinder von ihm, wenn ich das richtig sehe.«
    »Na und? Sollen sie vielleicht von einem Vater großgezogen werden, der sich nur rumtreibt?«
    »Frau Müller, so kommen wir nicht weiter. Und vielleichttut Ihrem Mann das alles ja furchtbar leid, weshalb er sich auch betrunken hat. Ich hatte jedenfalls gestern den Eindruck, dass er leidet.«
    Sie zögerte und überlegte und sagte schließlich in moderatem Ton: »Also gut, er soll hochkommen, ich lass ihm Wasser ein. Wenn er betrunken ist, kann er wohl kaum duschen. Aber so einfach kommt er mir nicht davon.«
    »Das klingt doch schon besser«, sagte Brandt lächelnd und reichte ihr die Flasche Wodka. »Kippen Sie das Zeug weg. Und passen Sie in nächster Zeit ein bisschen auf ihn auf, Alkohol ist das schlimmste Gift.«
    »Sie verlangen eine ganze Menge von mir«, entgegnete sie, und zum ersten Mal huschte so etwas wie ein Lächeln über ihr Gesicht, das sie auf Anhieb hübscher machte. »Aber gut, ich will noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen.«
    »Sprechen Sie mit ihm in aller Ruhe, er hat bestimmt eine Erklärung.«
    »Ich hoffe es.«
    Brandt begab sich erneut nach unten, wo Müller wieder eingeschlafen war. Nach zehn Minuten guten Zuredens hatte Brandt ihn so weit, dass er sich von ihm ins Bad führen ließ. Er zog vorsichtshalber den Schlüssel ab und gab ihn seiner Frau. Von den Kindern war nichts mehr zu sehen, er hörte nur ihre Stimmen.
    »Ich habe ihm frische Wäsche hingelegt und was zu essen gemacht. Er sieht ja wirklich fürchterlich aus. Aber erklären Sie mir doch bitte, warum er mir das angetan hat?«
    »Fragen Sie ihn. Wahrscheinlich hat es mit Wrotzeck zu tun.«
    »Das hab ich mir auch schon gedacht. Ich konnte diesen Kerl nie leiden, er hat immer nur Unruhe gestiftet. Ich habe mich sowieso gefragt, wie es zu dieser Freundschaft kommen konnte, denn eigentlich ist mein Mann sehr wählerisch, was Freunde angeht.«
    War Müllers Frau vor kurzem noch zänkisch und verbissen, so wurde sie von Minute zu Minute zugänglicher. Sie bot Brandt sogar einen Platz an und setzte sich auf die andere Seite des Esstisches.
    »Wie gut haben Sie Wrotzeck gekannt?«
    »Er war einige Male hier, aber das hat mir schon gereicht. Der hat sogar einmal versucht, mir

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