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Schrei in der Nacht

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Bahnhof gehen!«
      Murphy wendete den Wagen, und Fallon ging auf die
Pforte in der Mauer zu. Als er den Schlüssel im Schloß
umdrehte, sagte die klare Stimme des Jungen leise: »Viel
Glück, Mr. Fallon. Es lebe die Republik!«
      Fallon wandte sich um und hob leicht eine Hand:
»Viel Glück, Junge. Wenn der Zug nicht halten sollte, geh
nach Hause und vergiß, daß du mich jemals gesehen
hast.«
    »Keine Angst«, rief Murphy
unbekümmert und mit einem zuversichtlichen Lächeln,
während der Wagen in einer Dusche von Schlamm davondonnerte.
      Im Gewölbe war es öde und kalt. Fallon lag
auf dem Bett mit den Rollen, starrte an die Zimmerdecke und rauchte
eine Zigarette. Der graue Oktoberabend stieg herauf, und das Licht
drang trübe durch das Gitter. Schwach, von irgendwo her aus der
Tiefe der Kirche, erklang die Orgel, und wenig später erscholl der
spröde, süße Gesang eines Knabenchors. Fallon empfand
keine besondere Furcht bei dem Gedanken an die Dinge, die da kommen
würden. Er fühlte sich seltsam losgelöst von all den
Ereignissen, so als wenn er nicht selbst dabei wäre, sondern
außerhalb stände und auf alles herabsähe.
      Er begann an Anne Murray zu denken und an das, was sie
ihm gesagt hatte. Natürlich hatte sie recht; aber er mußte
feststellen, daß er weniger an ihre Worte als an sie selbst
dachte. Er erinnerte sich daran, wie sie aussah, als sie die Tür
öffnete: Ihr blondes Haar fiel ihr in die Stirn, und die Augen
waren noch voller Schlaf. Er lächelte weich in die Dunkelheit. Sie
hatte ein sehr liebes Wesen; sie hatte ihn in ihrem Bett schlafend
gefunden und hatte ihm die Schuhe ausgezogen, ohne ihn zu wecken. Aber
warum war sie dann so ärgerlich über ihn geworden? Er konnte
das durchaus nicht verstehen. So harte Worte zu gebrauchen, war nicht
nötig gewesen. Für einen flüchtigen Augenblick schienen
ihn ihre grünen Augen aus der Dunkelheit anzublicken, und als er
seinen Kopf auf dem Kissen drehte, war es ihm so, als ob er wieder in
ihrem Bett läge, eingehüllt in den undefinierbaren Duft, der
ihr eigen war.
    Später war ihm dann, als ob er in
einem Eisenbahnabteil zwischen zwei Männern säße. Der
Zug raste mit der Geschwindigkeit eines Alptraumes vorwärts, von
einer Seite zur anderen schlingernd und taumelnd. Durch die Fenster
konnte er plötzlich den Wald erkennen, aber der Zug hielt nicht
an. Die Männer in dem Wagen begannen zu lachen, und als er
niedersah, erblickte er Fesseln an seinen Handgelenken. Er drehte sich
dem Mann an seiner Linken zu und schrie: »Ihr irrt euch! Rogan
ist es, den ihr sucht, nicht mich! Ihr verwechselt mich!« Der
Mann lachte weiter und verwandelte sich dabei in einen Richter mit
einem schwarzen Barett. Fallon schrie erneut auf: »Ihr irrt euch,
hört ihr! Patrick Rogan wollt ihr verurteilen – nicht
mich!« Darauf begannen ihn alle mit zurückgeworfenen
Köpfen auszulachen. Das Gelächter dröhnte bis zu den
Wolken hinauf, und er schrie in Todesangst auf, als er die
Berührung des Stricks in seinem Nacken spürte.
      In Schweiß gebadet erwachte er und mußte
einige Sekunden keuchend nach Luft ringen. Er hatte geträumt. Es
war alles nur ein Traum gewesen, und ein Seufzer kam von seinen Lippen.
Dann aber schwang er seine Füße auf den Boden und setzte
sich, den Kopf in beide Hände gestützt, auf die Bettkante. Es
war still und friedlich um ihn. Plötzlich sprang er auf und sah
auf die Uhr. Das Leuchtzifferblatt zeigte acht Uhr fünfzehn. Mit
einem Seufzer der Erleichterung stolperte er zu dem Lichtschalter in
der Ecke. Auf dem Fußboden in der Nähe des Fenstergitters
lag ein Stück von einer Decke. Er hob es auf und stellte fest,
daß zwei Haken daran befestigt waren und das Ganze einen
primitiven Vorhang darstellte. Hinter den Kisten fand er einen
Segeltuchbeutel und packte ein halbes Dutzend Rauchbomben hinein. Dann
sicherte er seine Pistole, lud sie sorgfältig von neuem, nahm Hut
und Mantel und trat hinaus auf den Kirchhof.
      Es regnete immer noch wie aus Kannen, als er durch die
Stadt zum Bahnhof ging. Auf den Straßen war wenig Verkehr; der
starke Regen hatte viele Menschen in das Bahnhofsrestaurant getrieben.
Fallon lachte in sich hinein. Er hatte ohnehin noch genug Zeit und
bestellte sich eine Tasse Tee. Dann bahnte er sich seinen Weg durch das
Gewühl, stellte sich an ein Fenster und beobachtete den Bahnsteig
und die Sperre.
    Der Zug stand schon auf dem Bahnsteig;
eine Dampfwolke drang zwischen den Rädern hervor. Fallon sah

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