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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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nicht mit krustigem Schnee bedeckt. Jenny fragte sich, ob Joe vor seiner Ankunft auf dem Flughafen schnell noch zu einer Waschanlage gefahren war und damit kostbare Minuten verloren hatte. Erich öffnete ihr und Tina den hinteren Wagenschlag, erlaubte Beth, vorn zu sitzen, und eilte fort, um Joe mit dem Gepäck zu helfen.
    Einige Minuten später bogen sie auf den Highway ein.
    »Es sind fast drei Stunden zur Farm«, sagte Erich.
    »Warum lehnst du dich nicht an mich und versuchst, ein bißchen zu schlafen?« Er wirkte jetzt entspannt, sogar herzlich, und der kurze Ärger von vorhin schien verflogen.
    Er langte nach Tina, die bereitwillig zu ihm auf den Schoß krabbelte. Erich wußte wirklich mit ihr umzugehen. Als Jenny Tinas zufriedenes Gesicht sah, legte sich der Anfall von Heimweh.
    Der Wagen glitt durch die Landschaft. Die Lichter am Highway wurden seltener, die Straße selbst dunkler und schmaler. Joe schaltete das Fernlicht ein, und sie konnten Gruppen eleganter Ahornbäume und unregelmäßig geformter, verwachsener Eichen erkennen. Die Gegend war anscheinend platt wie ein Brett. Alles war so völlig anders als New York. Deshalb war Jenny sich so schrecklich fremd vorgekommen, als sie den Flughafen verlassen hatten.
    Sie brauchte Zeit, um nachzudenken, sich auf das Neue einzustellen, sich anzupassen. Sie legte den Kopf an Erichs Schulter und flüsterte: »Weißt du was? Ich bin hundemüde.« Sie wollte nicht mehr reden, nicht jetzt.
    Wie gut es doch tat, sich an ihn zu lehnen, zu wissen, daß sie nun eine lange, eine unendlich lange gemeinsame Zeit ohne Hetze, ohne Sorgen vor sich hatten. Er hatte vorgeschlagen, die Hochzeitsreise auf später zu verschieben.
    »Du hast noch niemanden, bei dem du die Mädchen lassen kannst«, hatte er gesagt. »Wenn sie sich auf der Farm eingelebt haben, sehen wir uns nach einem zuverlässigen Babysitter um, und dann können wir an die Flitterwochen denken.« Welcher andere Mann wäre so rücksichtsvoll gewesen? fragte sie sich.
    Sie spürte, wie Erichs Blick auf ihr lag.
    »Noch wach, Jenny?« fragte er, aber sie antwortete nicht. Seine Hand strich ihre Haare zurück, seine Finger legten sich leicht auf ihre Schläfe. Tina schlief nun; ihre Atemzüge waren leise und regelmäßig. Vorn hatte Beth aufgehört, mit Joe zu plappern, also war sie bestimmt auch eingeschlafen.
    Jenny bemühte sich, regelmäßig ein- und auszuatmen.
    Es war an der Zeit, vorauszuplanen, sich von dem Leben zu lösen, das sie hinter sich gelassen hatte, und an das zu denken, was vor ihr lag.
    Auf Erichs Heim hatte seit fünfundzwanzig Jahren keine Frau eingewirkt. Wahrscheinlich mußte man es gründlich herrichten. Sie war neugierig darauf, herauszufinden, ob Carolines Einfluß sich noch irgendwie bemerkbar machte.
    Merkwürdig, dachte sie, Erichs Mutter ist für mich nie seine Mutter, sondern immer nur Caroline. Vielleicht hatte sein Vater nicht ›deine Mutter‹ gesagt, wenn er Erich von ihr erzählte, sondern immer nur ›Caroline und ich hatten einmal…‹
    Die Verschönerung des Hauses würde viel Spaß machen. Wie oft hatte sie sich in der kleinen Wohnung umgesehen und gedacht: Wenn ich es mir nur leisten könnte, würde ich das machen… und das… und das…
    Was für ein herrliches Gefühl der Freiheit es sein mußte, wenn sie dann morgens aufwachte, ohne sich beeilen zu müssen, damit sie rechtzeitig zur Arbeit kam.
    Nur mit den Kindern zusammenzusein, Zeit für sie zu haben, wirklich Zeit, nicht nur eine halbe Stunde der Erschöpfung nach Feierabend! Sie hatte bereits so viel vom Schönsten der Babyjahre versäumt.
    Und eine Ehefrau zu sein. Genauso wie Kevin nie ein richtiger Vater für die Kinder gewesen war, so war er auch nie ein richtiger Ehemann für sie gewesen. Selbst in ihren intimsten Augenblicken hatte sie sich nicht des Gefühls erwehren können, daß er sich vorkam wie in der Rolle des romantischen Helden in einem MGM-Film.
    Außerdem war sie sicher, daß er sogar in der kurzen Zeit, die sie zusammengelebt hatten, fremdgegangen war.
    Erich dagegen war ein reifer Mensch. Er hätte längst verheiratet sein können, aber er hatte gewartet. Er trug gern Verantwortung. Kevin hatte davor zurückgescheut.
    Erich war so zurückhaltend. Fran sagte, sie finde ihn ein bißchen verklemmt, und Jenny wußte, daß selbst Hartley sich in seiner Anwesenheit nicht sehr behaglich fühlte.
    Sie hatten beide nicht begriffen, daß seine scheinbare Distanziertheit nur eine Schutzwehr für sein im Grunde

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