Schrei in der Nacht
Aktenkoffer zurück.
»Was für schreckliche Dinge man manchmal tun muß«, sagte er. »Was wünschst du dir zur goldenen Hochheit, Jenny?«
»Darby und Joan.«
»Was?«
»Das sind kleine Royal-Doulton-Figuren. Ein alter Mann und eine alte Frau, die stillvergnügt nebeneinandersitzen. Ich habe sie schon immer besonders gern.«
Als Erich am nächsten Morgen ins Haus kam, hatte er eine in Geschenkpapier gewickelte Schachtel in der Hand. Die beiden Porzellanfiguren waren darin.
Sie gaben Jenny sogar noch mehr als der Ring ein Gefühl der Sicherheit für ihre ganze Zukunft.
4
»Ich weiß das sehr zu schätzen, Jen. Wirklich.
Dreihundert Mäuse sind eine große Hilfe. Du warst schon immer ein guter Kumpel.«
»Nun, wir haben alles gemeinsam zusammengetragen.
Dir steht die Hälfte von dem Geld zu, Kev.«
»Mein Gott, wenn ich daran denke, wie wir spät abends losgezogen sind, um im Sperrmüll anderer Leute zu stöbern. Weißt du noch, wie wir das Zweiersofa um Haaresbreite jemandem weggeschnappt haben? Du hast dich einfach draufgesetzt, ehe der andere Kerl es packen konnte.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Jenny. »Er war so wütend, daß ich dachte, er würde gleich mit einem Messer auf mich losgehen. Sieh mal, Kevin, ich wünschte, du wärst ein paar Minuten eher gekommen.
Erich kommt gleich, und ich glaube nicht, daß er dir gerne über den Weg läuft.«
Sie standen in der ausgeräumten Wohnung. Die Möbel waren abgeholt worden — Jenny hatte alles für knapp sechshundert Dollar verkauft. Die Wände wirkten ohne die fröhlichen Drucke schmuddelig und rissig. Jetzt, wo die Möbel und der Teppich nichts mehr verdeckten, sah man erst, wie heruntergekommen das Apartment wirklich war. Die einzigen Gegenstände im Raum waren die eleganten neuen Koffer.
Kevin trug eine Alcantarajacke. Kein Wunder, daß er dauernd pleite ist, dachte sie. Sie musterte ihn leidenschaftslos, registrierte die aufgeschwemmte Partie unter seinen Augen. Wieder ein Kater, nahm sie an.
Schuldbewußt wurde ihr klar, daß ihr die Aussicht, Kevin nicht wiederzusehen, viel weniger zu schaffen machte als der Zwang, ihre Wohnung aufzugeben.
»Du siehst fabelhaft aus, Jen. Das Blau steht dir unglaublich.« Sie hatte ein zweiteiliges blaues Seidenkleid an. Erich hatte bei einem seiner letzten Besuche darauf bestanden, sie und die Mädchen bei Saks neu einzukleiden. Sie hatte protestiert, aber er hatte ihre Einwände beiseite gewischt. »Sieh es doch mal so: Wenn die Rechnung kommt, bist du schon meine Frau!«
Jetzt waren ihre Vuitton-Koffer voll von Kostümen und Blusen, Pullovern und Hosen mit den Etiketten berühmter Designer, voll von Raphael-Schuhen und Magli-Stiefeln. Nach dem ersten Unbehagen darüber, daß Erich dies alles bezahlte, hatte es ihr unbändig Spaß gemacht. Und was für eine Freude es gewesen war, für die Mädchen einzukaufen! »Du bist so gut zu uns.« Es wurde ein oft wiederholter Refrain.
»Ich liebe dich, Jenny. Jeder Cent, den ich für euch ausgebe, bereitet mir Vergnügen. Ich war noch nie so glücklich.«
Er half ihr, die Sachen auszusuchen. Erich hatte viel Stilgefühl und sah sofort, was ihr stand. »Das Auge des Künstlers«, scherzte sie.
»Wo sind die Mädels?« fragte Kevin. »Ich würde mich gern von ihnen verabschieden.«
»Fran ist mit ihnen spazieren. Wir holen sie nach der Feier ab. Fran und Hartley lunchen mit uns. Danach fahren wir sofort zum Flughafen.«
»Jen, ich finde, du hast dich da zu schnell reingestürzt.
Du kennst Krueger erst seit einem Monat.«
»Das ist lange genug, wenn man sicher ist, sogar sehr sicher. Und das sind wir beide.«
»Na ja. Aber was die Adoption betrifft, bin ich nicht sicher. Ich möchte meine Kinder nicht aufgeben.«
Jenny versuchte, ihren Ärger nicht zu zeigen. »Kevin, das ist doch schon erledigt. Du hast alles unterschrieben.
Du kümmerst dich nicht um die Mädchen. Du zahlst nicht für sie. Und wenn du irgendwo vorsprichst, behauptest du sogar, du hättest keine Familie.«
»Was werden sie denken, wenn sie groß sind und sich bewußt werden, daß ich sie aufgegeben habe?«
»Sie werden dankbar sein, daß du ihnen die Chance gabst, bei einem Vater aufzuwachsen, der sie will. Du scheinst zu vergessen, daß ich ebenfalls adoptiert worden bin. Und wer immer mich aufgab — ich werde ihr, oder ihnen, immer dankbar sein. Von Nana großgezogen zu werden, war etwas verdammt Besonderes.«
»Ich gebe zu, daß Nana etwas Besonderes war. Aber ich mag diesen
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