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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Erich.«
    »Los, probier ihn an.«
    Der Mantel war prachtvoll, weich, federleicht, warm.
    »Er paßt genau zu deinen Haaren und Augen«, sagte Erich zufrieden. »Weißt du, was ich heute morgen gedacht habe?«
    »Nein.«
    Er legte seine Arme um sie. »Ich hab’ gestern nacht sehr schlecht geschlafen. Ich kann Hotels nicht ausstehen und mußte immer wieder denken, daß Jenny heute abend bei mir in meinem Haus ist. Kennst du das Gedicht
    ›Jenny hat mich geküßt‹?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Ich konnte mich nur an ein paar Verse erinnern. ›Sag, ich bin müde, sag, ich bin traurig‹, und dann der frohlockende letzte Vers: ›Jenny hat mich geküßt‹. Ich sagte ihn gerade vor mich hin, als ich auf den Klingelknopf drückte, und dann habe ich zusehen müssen, wie Kevin MacPartland dich küßte.«
    »Bitte!«
    »Entschuldige. Laß uns hier weg. Es deprimiert mich.«
    Sie hatte keine Zeit mehr gehabt, zum Abschied noch einmal durch die Wohnung zu gehen, ehe er sie hastig zu der Limousine führte.
    Selbst bei der Zeremonie hatte sie an Kevin denken müssen, besonders an ihre Heirat vor vier Jahren in St.
    Monica. Sie hatten jene Kirche gewählt, weil Nana dort getraut worden war. Nana saß strahlend in der ersten Reihe. Sie war nicht mit Kevin einverstanden gewesen, hatte jedoch ihre Zweifel unterdrückt, als sie merkte, daß Jen nicht von ihm abzubringen war. Aber was hätte sie wohl von dieser Feier gehalten, mit einem Richter statt eines Pfarrers? »Ich, Jennifer, nehme dich…« Sie zögerte.
    Großer Gott, um ein Haar hätte sie ›Kevin‹ gesagt. Sie spürte Erichs fragenden Blick und fing von vorn an. Mit fester Stimme sagte sie: »Ich, Jennifer, nehme dich, Erich…«
    »Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.«
    Der Richter hatte die Worte mit feierlichem Ernst gesprochen. Aber sie hatte sie auch schon bei der Hochzeit mit Kevin gehört.
    Sie trafen eine Minute vor der planmäßigen Ankunft in Minneapolis ein. Ein großes Schild verkündete: Willkommen in den Twin Cities. Jenny betrachtete den Flughafen mit lebhaftem Interesse. »Ich bin in fast allen europäischen Ländern gewesen, aber noch nie weiter westlich als Pennsylvania«, sagte sie lachend. »Ich dachte, ich würde irgendwo mitten in der Prärie landen.«
    Sie hielt Beth an der Hand. Erich hatte Tina auf dem Arm. Beth blickte sich zur Gangway um. »Noch mehr fliegen, Mami«, bettelte sie.
    »Du hast etwas Schönes angerichtet«, sagte Jenny.
    »Sie scheinen einen Geschmack für Luxusreisen zu entwickeln.«
    Erich hörte nicht zu. »Ich habe Clyde gesagt, Joe solle uns abholen«, bemerkte er. »Er hätte an der Ankunftsperre sein sollen.«
    »Joe?«
    »Einer von den Farmarbeitern. Er ist nicht sehr helle, aber er kann ausgezeichnet mit Pferden umgehen und ist ein guter Fahrer. Ich lasse mich immer von ihm fahren, wenn ich den Wagen nicht am Flughafen parken will.
    Ah, da ist er.«
    Jenny sah einen schlaksigen jungen Mann Anfang Zwanzig, mit strohblonden Haaren, großen unschuldigen Augen und roten Wangen, auf sie zulaufen. Er hatte einen wattierten Mantel, dunkle Hosen, schwere Stiefel und Handschuhe an und machte einen sehr ordentlichen Eindruck. Auf seinem dichten Haarschopf saß eine Chauffeursmütze, die gar nicht zu ihm passen wollte. Er nahm sie ab, als er vor Erich stand, und Jenny fiel auf, daß er für einen so adretten jungen Mann ein schrecklich besorgtes Gesicht machte.
    »Mr. Krueger, es tut mir leid, daß ich zu spät gekommen bin. Die Straßen sind ziemlich vereist.«
    »Wo ist der Wagen?« fragte Erich barsch. »Ich werde meine Frau und die Kinder hinbringen, und dann kümmern wir beide uns um das Gepäck.«
    »Ja, Mr. Krueger.«
    Der Junge blickte noch ängstlicher drein. »Tut mir wirklich leid, daß ich so spät gekommen bin.«
    »Du meine Güte«, sagte Jenny. »Wir sind zu früh gelandet, eine Minute zu früh.« Sie streckte die Hand aus. »Ich bin Jenny.«
    Er nahm sie zaghaft. »Ich bin Joe, Mrs. Krueger. Wir freuen uns alle auf Sie. Alle reden nur noch von Ihnen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Erich kurz. Sein Arm drängte Jenny voran. Joe folgte ihnen. Sie merkte, daß Erich verstimmt war. Vielleicht hätte sie nicht so freundlich sein sollen. Ihr Leben in New York, die Hartley-Galerie und das Apartment in der siebenunddreißigsten Straße schienen plötzlich furchtbar weit weg zu sein.
6
    Erichs weinroter Cadillac-Fleetwood war brandneu und als einziges Auto auf dem Parkplatz

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