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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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nickte. War sie von Natur aus so schweigsam?
    Nein, fiel ihr ein. Wenn Jenny manchmal mit Erich vom Langlauf nach Haus kam, waren die Kinder schon wach, und sie hörte, wie Elsa, deren schwedischer Akzent deutlich durchkam, wenn sie schnell redete, angeregt mit ihnen sprach. Aber sobald Jenny oder Erich in der Nähe waren, brachte sie kaum ein Wort hervor.
    Auf den Landstraßen waren noch einige Eisplacken, aber der Highway war frei. Jenny machte es Spaß, wieder selbst am Steuer zu sitzen. Sie erinnerte sich an die Wochenendtrips, die sie und Nana in ihrem alten Käfer gemacht hatten, und lächelte vor sich hin. Nach der Heirat mit Kevin hatte sie das Auto leider verkaufen müssen, weil der Unterhalt zu teuer geworden war. Jetzt würde sie Erich bald bitten, ihr einen kleinen Wagen zu schenken.
    Es war zwanzig vor eins, als sie das Restaurant betrat.
    Überraschenderweise war Kevin schon da; er saß vor einer fast leeren Karaffe Wein. Sie setzte sich in die Nische und sah ihn an. »Hallo, Kev.« Unglaublich, daß er in einem knappen Monat gealtert zu sein schien, nicht mehr so unbeschwert aussah wie früher. Seine Augen wirkten verquollen. Sie fragte sich, ob er zu viel trank.
    Er langte nach ihrer Hand. »Jenny, du fehlst mir. Und die Kinder auch.«
    Sie löste ihre Finger von seinen. »Erzähl mir vom Guthrie.«
    »Ich glaube, Sie nehmen mich. Ich kann nur hoffen, daß sie es tun. Am Broadway gibt’s zur Zeit gar nichts.
    Und hier draußen bin ich viel näher bei dir und den Kindern. Jen, laß es uns noch mal versuchen.«
    »Kev, du bist verrückt.«
    »Nein, das bin ich nicht. Übrigens, du siehst gut aus.
    Sehr schick. Die Jacke muß ein Vermögen gekostet haben.«

    »Ich nehme an, sie war ziemlich teuer.«
    »Du hast Klasse, Jen. Ich habe es immer gewußt, aber ich habe es als selbstverständlich hingenommen. Ich habe immer geglaubt, du bist einfach für mich da.«
    Wieder legte er seine Hand auf ihre. »Bist du glücklich?«
    »Ja. Hör mal, Erich wäre schrecklich aufgebracht, falls er herausfindet, daß wir uns getroffen haben. Ich muß dir sagen, daß du nicht gerade einen guten Eindruck auf ihn gemacht hast, als ihr euch das letztemal gesehen habt.«
    »Ganz meinerseits. Oder wie hätte ich reagieren sollen, als er mir auf einmal ein Blatt Papier vor die Nase hielt und erklärte, du würdest mich auf Verletzung der Unterhaltspflicht verklagen und mir jeden Cent wegpfänden lassen, den ich jemals verdiene, wenn ich nicht unterschreibe.«
    »Das hat er gesagt!?«
    »Das hat er gesagt. Hör zu, Jen. Es war ein mieser Trick. Ich hatte gerade eine Rolle in dem neuen Musical von Hal Prince in Aussicht, und eine Gagenpfändung hätte mir alles verdorben. Blöderweise wußte ich noch nicht, daß ich schon aus dem Rennen war. Sonst hätte ich diese Adoptionspapiere nie unterschrieben, das kannst du mir glauben.«
    »So einfach ist es wohl doch nicht«, sagte sie. »Ich weiß, daß Erich dir zweitausend Dollar gegeben hat.«
    »Das war nur ein Darlehen.«
    Sie wußte nicht, welche Empfindung stärker war, Mitleid für Kevin oder die nagende Gewißheit, daß er die Mädchen immer als Hebel benutzen würde, um in ihrem Leben zu bleiben. Sie öffnete ihr Portemonnaie. »Kev, ich muß zurück. Hier sind die dreihundert Dollar, aber ruf mich bitte nicht mehr an und versuch nicht, die Kinder zu sehen. Wenn du es doch tust, machst du uns allen nur Schwierigkeiten, den beiden, dir selbst und mir…«
    Er nahm das Geld, blätterte die Scheine gleichgültig durch, steckte sie dann in seine Brieftasche. »Jen, ich muß dir noch was sagen. Ich hab’ ein schlechtes Gefühl wegen dir und den Mädchen. Es ist etwas, was ich nicht erklären kann. Aber es ist da.«
    Jenny stand auf. Sofort war Kevin neben ihr und zog sie an sich. »Ich liebe dich immer noch, Jenny.« Sein Kuß war heftig.
    Sie konnte sich nicht gewaltsam von ihm lösen, ohne Aufsehen zu erregen. Es dauerte wenigstens eine halbe Minute, bis er sie freigab und sie einen Schritt zurücktreten konnte. »Laß uns in Ruhe«, flüsterte sie.
    »Ich bitte dich. Ich warne dich, Kevin. Laß uns in Ruhe.«
    Sie rannte beinahe die Kellnerin um, die mit dem Bestellblock in der Hand hinter ihr stand. Die beiden Damen am Fenstertisch starrten sie an.
    Während sie aus dem Restaurant lief, wurde ihr klar, warum die eine Frau ihr bekannt vorgekommen war. Sie hatte Sonntagmorgen beim Gottesdienst auf der anderen Seite des Gangs gesessen.
13
    Nach jenem ersten Abend rief Erich

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