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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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nicht wieder an.
    Jenny versuchte, ihr Unbehagen mit logischen Argumenten zu vertreiben. Er hatte etwas gegen das Telefonieren. Aber er hatte doch vorgehabt, sie jeden Abend anzurufen. Sollte sie versuchen, ihn im Hotel zu erreichen? Sie streckte ein halbes dutzendmal die Hand nach dem Telefon aus, um sie dann wieder sinken zu lassen.
    Hatte das Guthrie Theater Kevin engagiert? Wenn ja, würde er das gleiche machen wie in New York, sie jedesmal unangemeldet besuchen, wenn er pleite war oder einen Moralischen hatte. Was Erich betraf, konnte sie dann für nichts garantieren, und das war bestimmt nicht gut für die Kinder.
    Warum rief Erich nicht an?
    Er wollte am Achtundzwanzigsten nach Haus kommen. Joe sollte ihn in Minneapolis vom Flughafen abholen. Sollte sie mitfahren? Nein, sie würde auf der Farm warten und ein gutes Dinner vorbereiten. Er fehlte ihr. Ihr wurde jetzt erst klar, wie voll und ganz sie und die Mädchen sich diese letzten Wochen an ihr neues Leben gewöhnt hatten.
    Jenny war eines klar: Ohne dieses elende Schuldgefühl, weil sie sich mit Kevin getroffen hatte, würde sie nicht so ungeduldig auf einen Anruf von Erich warten. Kevin war ein Egoist, der ihr nichts gönnte. Angenommen, er kam wieder, wenn er die dreihundert Dollar ausgegeben hatte?
    Und wenn Erich dann erfuhr, daß sie ihn getroffen hatte, ohne es ihm zu erzählen, war die Sache doppelt so schlimm.
    Sie lief in seine Arme, als er die Tür öffnete. Er drückte sie an sich. Über die kurze Strecke zwischen dem Wagen und der Veranda war die abendliche Kälte in seinen Mantel gedrungen, und seine Lippen waren kühl.
    Sie erwärmten sich schnell, als er sie küßte. Mit einem unterdrückten Schluchzen dachte sie: Es wird alles gut.
    »Ich habe dich so vermißt.« Sie sagten es gleichzeitig.
    Er umarmte die Mädchen, fragte, ob es ihnen gut ergangen sei, und überreichte ihnen nach ihrem lauten Ja bunt eingewickelte Päckchen. Er lächelte nachsichtig, als sie Freudenschreie über die neuen Puppen ausstießen.
    »Vielen, vielen Dank«, sagte Beth feierlich.
    »Vielen Dank, Daddy«, verbesserte er.
    »Das habe ich doch gemeint«, sagte Beth verwirrt.
    »Was schenkst du Mami?« fragte Tina.
    Er lächelte Jenny an. »Ist Mami auch brav gewesen?«
    Sie bestätigten es.
    »Wirklich, Mami?«
    Warum wirkte selbst harmloses Hänseln hintergründig, wenn man etwas zu verbergen hatte? Jen dachte daran, wie Nana oft über eine gute Bekannte den Kopf geschüttelt hatte. »Sie macht sich das Leben selbst zur Hölle. Sie würde selbst dann lügen, wenn sie mit der Wahrheit weiter käme.«
    Hatte sie ebenso gehandelt? »Ja, ich war ganz brav.«
    Sie versuchte, es neckisch und beiläufig klingen zu lassen.
    »Jenny, du wirst ja rot.« Erich schüttelte den Kopf.
    Sie wußte, daß ihr Lächeln gezwungen war. »Wo ist mein Geschenk?«
    Er griff in seine Reisetasche. »Da du die kleinen Figuren von Royal Doulton magst, dachte ich, ich finde vielleicht auch in Atlanta eine. Die hier sah ich in einem Schaufenster und mochte sie sofort. Sie heißt ›Die Tasse Tee‹.«
    Jenny öffnete die Schachtel. Es war die Figur einer alten Frau, die mit einer Tasse Tee in der Hand auf einem Schaukelstuhl saß und stillvergnügt vor sich hin lächelte.
    »Sie hat sogar Ähnlichkeit mit Nana«, seufzte sie.
    Zärtlich beobachtete er, wie sie die Figur betrachtete.
    Mit Tränen in den Augen lächelte sie ihn an. Und Kevin würde all das ruinieren, dachte sie.
    Sie hatte Feuer im Küchenherd gemacht; neben der Käseplatte stand eine Karaffe Wein auf dem Tisch. Sie faßte Erich an der Hand und ging mit ihm zum Sofa.
    Lächelnd schenkte sie Wein in sein Glas und reichte es ihm. »Willkommen daheim.« Sie setzte sich so neben ihn, daß ihr Knie seines berührte. Sie hatte eine grüne Seidenbluse mit Rüschenausschnitt von Yves St. Laurent und braungrüne Tweedhosen angezogen, da sie wußte, daß er sie darin besonders gern hatte. Ihr Haar, das inzwischen länger war, fiel auf ihre Schultern. Trotz der bitteren Kälte ging sie am liebsten ohne Kopfbedeckung nach draußen, und die Wintersonne hatte einen goldenen Glanz in die dunklen Haare gebleicht.
    Erich musterte sie mit undurchdringlichem Gesicht.
    »Du bist schön, Jen. Hast du dich nicht etwas zu fein gemacht?«
    »Mein Mann kommt nicht jeden Abend von einer viertägigen Reise nach Haus.«
    »Du hast dir viel Mühe gegeben. Wenn ich nun heute nicht gekommen wäre, hättest du es vielleicht bereut…«
    »Wenn du heute nicht

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