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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Baumwollkleid vom letzten Jahr in New York fand. Als sie es angezogen hatte, fühlte sie sich auf eigenartige Weise wieder wie ihr früheres Ich. Das zweiteilige Kleid mit den rosaroten Karos war von Albert Capraro, sie hatte es bei einem Schlußverkauf entdeckt. Der weiche, weite Rock war jetzt nur ein bißchen eng an der Taille; das blousonartige Oberteil kaschierte ihren Gewichtsverlust, der sich um die Schultern abzeichnete.
    Marks Wagen war ein vier Jahre alter Chrysler, ein Kombi. Seine Tasche lag auf dem Rücksitz, neben einem auseinandergerutschten Stapel Bücher. Die Unordnung wirkte irgendwie anheimelnd.
    Zum erstenmal war sie wirklich allein mit Mark. Ich wette, sogar Tiere haben das Gefühl, daß alles gleich besser wird, wenn er bei ihnen ist, dachte sie. Sie sagte es ihm.
    Er warf einen Blick auf sie. »Danke für das Kompliment, hoffentlich stimmt es. Und hoffentlich hat Elmendorf dieselbe Wirkung auf Sie. Er ist ein guter Arzt, Jenny. Sie können ihm vertrauen.«
    »Das tu ich auch.«
    Sie fuhren auf der unbefestigten Straße, die an der Farm vorbei nach Granite Place führte. Alles hier gehört zur Krueger-Farm, dachte sie, ein Hektar nach dem anderen. Und die Tiere, die auf den Weiden grasen.
    Preisgekrönte Krueger-Rinder. Und ich hatte mir tatsächlich ein normales Farmhaus mit ein paar Maisfeldern vorgestellt! Ich habe es nie begriffen.
    Mark sagte: »Haben Sie schon gehört, daß Joe wieder zu seiner Mutter zieht?«
    »Erich hat es mir gesagt.«
    »Die beste Lösung. Maude ist eine gescheite Frau. Die Männer in der Familie haben wohl immer schon einen Hang zur Flasche. Sie nimmt ihn sicher an die Kandare.«
    »Ich dachte, ihr Bruder hätte nur wegen des Unfalls angefangen zu trinken.«
    »Ich weiß nicht. Ich hörte, wie mein Vater danach mit John Krueger darüber sprach. Vielleicht war der Unfall nur der Anlaß, daß er sich keine Mühe mehr gab, seinen Alkoholismus zu verstecken.«
    »Ob Erich mir je verzeiht, daß jetzt meinetwegen so viel getratscht wird? Es macht unsere Ehe kaputt.« Sie hatte nicht gedacht, daß sie das aussprechen würde. Sie hörte, wie sie es plötzlich tonlos und sachlich von sich gab. Würde sie es wagen, Mark von dem Anruf zu erzählen, und davon, wie Erich reagiert hatte?
    »Jenny.« Mark hielt inne und redete erst nach einer langen Pause weiter. Sie hatte bereits gemerkt, daß seine Stimme auf einmal tiefer klang, wenn er von Dingen sprach, die ihm am Herzen lagen. »Jenny, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie anders Erich seit jenem Tag ist, an dem er zurückkam, nachdem er Sie kennengelernt hatte.
    Er war schon immer ein Einzelgänger. Er hat immer viel Zeit in der Hütte verbracht. Jetzt verstehen wir natürlich, warum. Aber trotzdem — versuchen Sie, sich in ihn hineinzuversetzen. Ich bezweifle, daß John Krueger Erich als Kind auch nur ein einziges Mal einen Kuß gegeben hat. Caroline dagegen hatte eine Art, auf einen zuzukommen, wenn man ins Zimmer kam, und einen in die Arme zu nehmen — sie konnte Zärtlichkeit zeigen.
    Die Leute hier aus der Gegend sind nicht so. Wir haben Hemmungen, unsere Gefühle zu zeigen. Wie Sie wissen, hatte Caroline italienisches Blut. Ich weiß noch, wie mein Vater sie mit ihrer mediterranen Herzlichkeit aufzog. Können Sie sich vorstellen, wie es für Erich gewesen sein muß, als er erfuhr, daß sie ihn verlassen wollte? Kein Wunder, daß er Ihren ersten Mann für einen miesen Kerl hielt. Geben Sie ihm Zeit. Die Leute hören irgendwann auf zu reden. In ein paar Wochen haben sie wieder etwas anderes, worüber sie sich ereifern können.«
    »So wie Sie es sagen, klingt es so einfach.«
    »Nicht einfach, aber vielleicht nicht so schwierig, wie Sie meinen.«
    Er setzte sie vor Elmendorfs Praxis ab. »Ich warte hier draußen und lese ein paar Sachen, die ich seit Wochen auf die lange Bank geschoben habe. Sie sind sicher bald fertig.«
    Der Gynäkologe nahm kein Blatt vor den Mund. »Sie haben vorzeitige Wehen gehabt, und das gefällt mir nicht, vor allem nicht in diesem Stadium. Haben Sie sich vielleicht überanstrengt?«
    »Nein.«
    »Sie haben noch mehr abgenommen.«
    »Ich bringe einfach nichts runter.«
    »Sie müssen es um des Babys willen versuchen.
    Malzbier, viel Milch, meinetwegen Eis, alles, was viel Kalorien hat. Und Sie müssen möglichst viel liegen.
    Machen Sie sich Sorgen über irgend etwas?«
    Ja, Herr Doktor, hätte sie am liebsten gesagt. Ich mache mir Sorgen, weil ich nicht weiß, wer mich anruft, wenn mein Mann

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