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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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ausgerechnet jetzt Sorgen darum? fragte sie sich.
    Es war dieser Traum, dieser ständig wiederkehrende Traum einer Berührung, eines deutlichen Gefühls, wie ihre Finger eine Wange, ein Ohr, Haare streiften.
    Neuerdings hatte sie ihn fast jede Nacht. Und es war immer das gleiche: Betäubender Kiefernduft, das Gefühl, jemand sei in der Nähe, die Berührung und dann ein leises Geräusch wie ein Seufzen. Und sobald sie dann das Licht anknipste, war niemand im Zimmer.
    Wenn sie nur mit jemandem darüber reden könnte.

    Aber mit wem bloß? Dr. Elmendorf würde ihr raten, einen Psychiater aufzusuchen. Das glaubte sie mit Bestimmtheit zu wissen. Ein gefundenes Fressen für Granite Place: Die Krueger tickt nicht richtig.
    Es war kurz vor zehn. Das Telefon klingelte. Hastig nahm sie ab. »Hallo.«
    Die Leitung war tot. Nein, sie konnte etwas hören.
    Kein Atmen, etwas anderes.
    »Hallo.« Sie fühlte, wie sie anfing zu zittern.
    »Jenny.« Die Stimme flüsterte kaum hörbar.
    »Wer ist da?«
    »Jenny, bist du allein?«
    »Wer sind Sie?«
    »Hast du gerade einen Freund aus New York bei dir, Jenny? Geht er gerne baden?«
    »Wovon reden Sie?«
    Jetzt wurde die Stimme laut und stieß einen gellenden Schrei aus, halb Lachen und halb Schluchzen. »Hure.
    Mörderin. Raus aus Carolines Bett, raus, sage ich.
    Sofort!«
    Sie knallte den Hörer auf die Gabel. Lieber Gott, hilf mir, dachte sie. Sie schlug die Hände vors Gesicht und fühlte ein nervöses Zucken unter dem Auge. O Gott.
    Das Telefon klingelte wieder. Ich gehe nicht hin. Nein.
    Viermal, fünfmal, sechsmal. Es hörte auf. Es fing wieder an zu klingeln. Erich, dachte sie. Es war nach zehn. Sie griff zum Hörer.
    »Jenny«, sagte Erich besorgt. »Was ist los? Ich habe vor ein paar Minuten schon mal angerufen, und es war besetzt. Dann hat niemand abgenommen. Ist alles in Ordnung? Mit wem hast du gesprochen?«
    »Ich weiß nicht. Es war nur eine Stimme.« Ihre eigene Stimme drohte hysterisch umzukippen.

    »Du klingst aufgeregt. Was hat diese Stimme gesagt?«
    »Ich — ich konnte nichts verstehen.« Sie brachte es nicht fertig, ihm davon zu erzählen.
    »Ach so.« Eine lange Pause, und dann sagte Erich resigniert: »Reden wir nicht darüber.«
    »Was soll das heißen, reden wir nicht darüber?«
    Entsetzt hörte sie, daß sie nun selbst fast kreischend sprach. Sie klang genau wie die Stimme eben. »Ich möchte aber darüber reden. Hör zu, was sie gesagt hat.«
    Schluchzend erzählte sie es ihm. »Wer könnte mich derart beschuldigen? Wer könnte mich so sehr hassen?«
    »Liebling, bitte, beruhige dich.«
    »Wer, Erich, wer?«
    »Liebling, denk nach. Es war natürlich Rooney.«
    »Aber warum ? Rooney mag mich.«
    »Vielleicht mag sie dich, aber Caroline hat sie geliebt.
    Sie möchte, daß Caroline zurückkommt, und wenn sie einen ihrer Anfälle hat, sieht sie dich vielleicht manchmal als Eindringling. Liebling, ich hab’ dich vor ihr gewarnt.
    Weine bitte nicht, hörst du? Es wird alles gut. Ich bin für dich da. Ich werde immer für dich da sein.«
    Irgendwann in der langen schlaflosen Nacht setzten die Krämpfe ein. Zuerst waren sie wie stechende Schmerzen im Unterleib. Dann kamen sie in einem regelmäßigen Rhythmus. Um acht rief sie Dr. Elmendorf an. »Sie kommen am besten gleich her«, sagte er.
    Clyde war früh zu einer Rinderauktion gefahren und hatte Rooney mitgenommen. Sie wagte nicht, Joe zu bitten, sie nach Granite Place zu bringen. Es gab ein halbes Dutzend andere Männer auf der Farm, die Arbeiter, die morgens kamen und abends nach Haus fuhren. Sie kannte sie vom Sehen und wußte ihre Namen, aber Erich hatte ihr mehrmals eingetrichtert, »Abstand zu ihnen zu halten«.
    Sie wollte keinen von ihnen bitten. Sie rief Mark an und erklärte: »Wäre es möglich…«
    Er antwortete wie aus der Pistole geschossen. »Kein Problem. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, nach der Sprechstunde etwas zu warten, bis ich sie wieder zurückbringen kann. Das heißt, mein Vater könnte es tun.
    Er ist gerade aus Florida gekommen. Er bleibt fast den ganzen Sommer hier.«
    Marks Vater, Luke Garrett. Jenny war neugierig, ihn kennenzulernen.
    Mark holte sie um viertel nach neun ab. Es war ein warmer dunstiger Morgen, der einen heißen Tag verhieß.
    Jenny hatte in ihrem Wandschrank gesucht, was sie anziehen konnte, und ihr war bewußt geworden, daß alle Sachen, die Erich ihr nach der Hochzeit gekauft hatte, für kaltes Wetter bestimmt waren.
    Sie kramte lange, ehe sie ein leichtes

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