Schrei in der Nacht
schwöre, daß sie ein paar grünliche Punkte haben. Ich wette, er bekommt die Augen deiner Mutter, Erich. Würde dir das gefallen?«
»Ja, sehr.«
Er schob das Himmelbett an die Südwand des Schlafzimmers. Sie ließ die Schiebetür zwischen dem Zimmer und dem Raum nebenan offen. Das Korbbettchen stand dort. Sie konnte jedes Geräusch hören, das der Kleine machte.
Erich war immer noch nicht wieder ins große Schlafzimmer gezogen. »Ich glaube, du brauchst noch ein bißchen Ruhe, Jenny.«
»Du kannst wieder hier schlafen. Es wäre mir sehr lieb.«
»Nein, noch nicht.«
Dann wurde ihr bewußt, daß sie erleichtert war. Das Baby nahm alle ihre Gedanken in Anspruch. Nach einem Monat hatte er fast zweihundert Gramm abgenommen.
Der Kinderarzt blickte ernst. »Wir werden die Dosis in der Flasche vergrößern. Ich fürchte, Ihre Milch hat nicht genug Nährstoffe für ihn. Essen Sie auch richtig? Haben Sie irgendeinen Kummer? Eine zufriedene und entspannte Mutter hat ein glückliches Kind, denken Sie daran.«
Sie zwang sich, mehr zu essen und Milchmixgetränke zu trinken. Das Baby fing jedesmal an, gierig zu saugen, wurde dann aber schnell müde und schlief ein. Sie sagte es dem Arzt.
»Wir machen besser ein paar Tests.«
Das Baby kam für drei Tage ins Krankenhaus. Sie schlief in einem kleinen Raum in der Nähe der Säuglingsstation. »Mach dir keine Sorgen um meine Mädchen, Jenny. Ich werde gut auf sie aufpassen.«
»Ich weiß, Erich.«
Sie lebte für die Augenblicke, in denen sie das Baby halten konnte.
Das Baby hatte einen Herzklappenfehler. »Er muß operiert werden, aber jetzt können wir es noch nicht riskieren.«
Sie dachte an Maude Ekers’ Fluch: »Gott strafe das Kind, das Sie tragen.« Instinktiv drückte sie den schlafenden Säugling an sich.
»Ist die Operation gefährlich?«
»Jeder Eingriff hat ein Risiko. Aber die meisten Babys überstehen es ohne Komplikationen.«
Sie nahm das Baby mit nach Hause. Der feine Säuglingsflaum begann auszufallen. Feine goldene Härchen fingen an, ihn zu ersetzen. »Er bekommt dein Haar, Erich.«
»Ich glaube, er bleibt rot, wie die Mädchen.«
Es wurde Dezember. Beth und Tina machten lange Wunschzettel für den Weihnachtsmann. Erich stellte einen riesigen Baum in der Ecke beim Herd auf. Die Mädchen halfen beim Herrichten. Jenny hatte das Baby auf dem Arm, während sie zuschaute. »So schläft er besser«, sagte sie zu Erich. »Er friert immer so. Sein Kreislauf ist schlecht.«
»Manchmal habe ich den Eindruck, du denkst nur noch an ihn«, bemerkte er. »Ich muß dir sagen, Tina und Beth und ich kommen uns wie aufs Abstellgleis geschoben vor, stimmt’s?«
Er nahm die Mädchen mit, um in einem Einkaufszentrum in der Nähe den Weihnachtsmann zu bewundern. »Was für eine Liste«, bemerkte er nachsichtig. »Ich mußte alles aufschreiben, was sie sich wünschen. Das wichtigste scheinen Puppenbetten und Babypuppen zu sein.«
Luke war zu den Festtagen wieder nach Minnesota gekommen. Er kam mit Mark und Emily am ersten Festtag nachmittags zu Besuch. Emily war nicht so aufgedreht wie sonst. Sie zeigte einen geschmackvollen, ledergebundenen Notizkalender. »Den hat Mark mir geschenkt. Ist er nicht schön?«
Jenny fragte sich, ob sie einen Verlobungsring erwartet hatte. Luke bat, das Baby halten zu dürfen. »Er ist ein kleiner Prachtkerl.«
»Und er hat ein halbes Pfund zugenommen«, sagte Jenny glücklich. »Nicht wahr, Pummel?«
»Nennen Sie ihn immer Pummel?« fragte Emily.
»Ich nehme an, es klingt schrecklich albern. Es ist nur, weil Erich viel zu gewichtig für den winzigen Kerl klingt. Ich finde, er muß erst in den Namen hineinwachsen.«
Sie blickte lächelnd auf. Erich sah unbewegt vor sich hin. Mark, Luke und Emily tauschten überraschte Blicke.
Natürlich. Wahrscheinlich hatten sie am Tag nach der Geburt die Anzeige in der Zeitung gelesen, die Anzeige, in der sein Name mit Kevin angegeben war. Aber hatte Erich es nicht erklärt?
Emily beeilte sich, das betretene Schweigen zu beenden. Sie beugte sich wieder über das Baby und sagte: »Er hat dieselben Haare wie die Mädchen, nicht?«
»Ich bin sicher, er wird blond, wie Erich.« Jenny lächelte wieder. »Gebt ihm noch ein halbes Jahr, dann haben wir einen richtigen Krueger-Blondschopf.« Sie nahm ihn Luke ab. »Du wirst genauso aussehen wie dein Daddy, nicht wahr, Pummel?«
»Das habe ich von Anfang an gesagt«, bemerkte Erich.
Jenny spürte, wie ihr Lächeln erstarrte. Meinte er das so, wie
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