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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Venedig, Generationen schmalgesichtiger Dogen, die aus glimmenden Augen verächtlich auf die Touristen herabblickten. Etwas von diesem Ausdruck war nun in Erichs Augen.
    Seine Gesichtsmuskeln spannten sich. »Jenny, wie lange willst du mich eigentlich noch mißverstehen? Ich bin immer gut zu dir gewesen. Ich habe dich und die Mädchen aus deinem deprimierenden Apartment in dieses schöne Haus geholt. Ich habe dir Schmuck und Kleider und Pelze geschenkt. Du hättest alles haben können, was du wolltest, und trotzdem hast du Kevin MacPartland erlaubt, Kontakt mit dir aufzunehmen und einen Skandal zu verursachen. Ich bin sicher, es gibt im ganzen County keine Familie, die sich nicht den Mund über uns zerreißt. Ich verzeihe dir, aber du hast kein Recht, böse auf mich zu sein und alles anzuzweifeln, was ich sage. Laß uns jetzt nach oben gehen. Ich denke, es ist an der Zeit, daß ich wieder in unserem Zimmer schlafe.«
    Er ergriff sie so fest an den Armen, daß er ihr weh tat.
    Sein
    ganzer Körper schien verkrampft zu sein. Er hatte etwas Beängstigendes. Sie senkte verwirrt den Blick.
    »Erich«, sagte sie behutsam. »Wir sind beide müde.
    Wir haben lange unter einer großen Belastung gestanden.
    Ich denke, du solltest wieder anfangen zu malen. Ist dir klar, wie selten du zur Hütte gegangen bist, seit der Kleine geboren wurde? Schlaf heute nacht in deinem Zimmer, damit du morgen schon früh aufstehen kannst.
    Aber zieh dich warm an, wenn du hingehst, sie ist wahrscheinlich vollkommen ausgekühlt.«
    »Wie weißt du, daß sie ausgekühlt ist? Wann bist du da gewesen?« Seine Stimme war schrill und mißtrauisch.
    »Erich, du weißt doch, daß ich noch nie in der Hütte war.«
    »Wie willst du dann wissen …«
    »Psst, hör mal.« Von oben kam leises Wimmern.
    »Es ist der Kleine.« Jenny drehte sich um und lief nach oben, und er folgte ihr. Das Baby strampelte und fuchtelte mit den Armen. Sein Gesicht war naß. Während sie es betrachteten, fing es an, an seiner geballten Faust zu nuckeln.
    »Oh, Erich, sieh nur, er weint richtige Tränen!«
    Zärtlich beugte sie sich über das Bett und nahm ihn in den Arm. »Beruhige dich, mein Kleiner, ich bin ja bei dir. Ja, ich weiß, daß du Hunger hast, Pummel. Erich, er wird immer kräftiger.«
    Sie hörte, wie hinter ihr die Tür ins Schloß fiel. Erich hatte das Zimmer verlassen.

30
    Sie träumte von einer Taube. Irgendwie kam sie ihr schrecklich bedrohlich vor. Sie flog durch das Haus, und sie mußte sie fangen. Der Vogel durfte nicht im Haus bleiben. Er segelte geradewegs in das Zimmer der Mädchen, und sie lief hinterher. Er flog immer wieder im Kreis herum. Sie bekam ihn zu fassen, aber er löste sich aus ihren Händen und flatterte an ihr vorbei in das Zimmer des Kleinen. Sie setzte sich auf den Rand des Korbbettchens. Sie begann zu schreien, nein, nicht, nicht!
    Sie wachte mit tränennassem Gesicht auf und stürzte nach nebenan. Das Baby schlief tief und fest.
    Erich hatte einen Zettel auf den Küchentisch gelegt:
    »Ich befolge deinen Rat. Werde ein paar Tage in der Hütte bleiben und malen.«
    Beim Frühstück blickte Tina von ihren Cornflakes auf und sagte: »Mami, warum hast du nicht mit mir geredet, als du gestern nacht in unser Zimmer gekommen bist?«
    Am Nachmittag kam Rooney vorbei, und sie merkte als erste, daß der Kleine Fieber hatte.

    Sie war mit Clyde an Weihnachten bei Maude und Joe zum Festessen gewesen. »Joe geht es sehr gut«, erzählte sie. »Der Urlaub in Florida gleich nach dem Krankenhaus hat Wunder getan, für Maude auch. Sie sind beide ganz braungebrannt und sehen gesund und erholt aus.
    Nächsten Monat kommt der Stützverband weg.«
    »Ich bin so froh.«
    »Maude sagt natürlich, daß sie sich freut, wieder zu Haus zu sein. Sie hat mir erzählt, wie großzügig Erich zu ihnen war. Aber das wissen Sie ja selbst. Er hat alle Rechnungen vom Krankenhaus bezahlt, und außerdem hat er ihnen einen Scheck über fünftausend Dollar gegeben. Er hat Maude geschrieben, er fühle sich verantwortlich für den Unfall.«
    Jenny nähte gerade die letzten Stoffteile an die bunte Decke. Sie blickte auf. »Verantwortlich?«
    »Ich weiß nicht, was er damit meint. Aber Maude hat gesagt, sie kommt sich ganz schlecht vor, weil es dem Baby nicht gutgegangen ist. Sie hat gesagt, sie erinnert sich, daß sie ein paar furchtbare Dinge zu Ihnen gesagt hat.«
    Jenny wußte noch genau, welche furchtbaren Dinge Maude gesagt hatte.
    »Und stellen Sie sich vor, Joe hat

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