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Schrei in Flammen

Schrei in Flammen

Titel: Schrei in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Øbro , Ole Tornbjerg
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»… wirklich im Zweifel, ob er Maja erzählen sollte, dass sie einen Bruder hat. Irgendwann ist er dann aber doch zu dem Entschluss gekommen, es zu tun. Er wollte ihr die Möglichkeit geben, Christian aufzusuchen. Sie hatte ja sonst keine Familie mehr. Er rief sie deshalb schließlich an und sagte ihr, dass er im Sterben lag. Zuerst wollte sie nicht kommen. Aber er hat sie gebeten, fast angefleht zu kommen, weil er ihr unbedingt noch etwas sagen müsste. Und so kam sie dann doch.«
    »Wie ist diese Begegnung abgelaufen?«
    »Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass Maja sein Zimmer bereits nach einer Viertelstunde wieder verlassen hat.« Helle machte eine kurze Pause. »Und sie kam nicht wieder zurück. Eine Woche später ist Jørn gestorben. Wir haben Kontakt zu ihr aufgenommen, als es auf das Ende zuging, aber sie hatte kein Interesse. Dann haben wir ihr das Datum der Beerdigung mitgeteilt. Aber sie kam nicht.«
    Katrine dankte Helle für die Hilfe, ehe sie fast fluchtartig das Hospiz verließ und zurück nach Kopenhagen fuhr.
    *
    Christian Letoft war nach den nervenaufreibenden Erlebnissen der letzten Wochen endlich wieder etwas zur Ruhe gekommen. Langsam, ganz langsam sah er wieder Licht am Ende des Tunnels. Er musste jetzt nur noch die Autos verkaufen und dann Jim so schnell wie möglich wieder aus seinem Leben schieben. Dann würde alles wieder gut werden, so wie früher. Die Aussicht darauf, sich danach nur noch mit finanziellen Problemen herumschlagen zu müssen, war beinahe befreiend.
    Sofia hatte der Besuch der Polizei stark zugesetzt, aber er hatte sie davon überzeugen können, dass sie ihn mit jemand anderem verwechselt hatten. Ein dummer Fehler.
    Er brauchte jetzt einfach nur ein bisschen Ruhe. Vielleicht sollte er etwas planen, nur für sich und Sofia? Er rief seine Eltern an und fragte sie, ob sie am nächsten Abend die Kinder nehmen könnten, wozu sie gern bereit waren.
    Kaum hatte er den Hörer wieder aufgelegt, klingelte sein Telefon. Die Nummer sagte ihm nichts.
    »Christian Letoft.«
    »Guten Tag, mein Name ist Jesper Egelund. Ich bin Journalist und wollte mich erkundigen, ob ich Ihnen ein paar Fragen stellen dürfte.«
    *
    Der Blick meines Bruders.
    Er hatte die Augen unseres Vaters, das fiel mir sofort auf. Die gleiche Härte wie bei ihm.
    »Und was arbeitest du?«, fragte er ganz direkt.
    Christians Blick. Seine Verachtung, als ich es ihm sagte. Seine Ablehnung war schlimmer als die schlimmsten Albträume in der Schule.
    Hätte ich lügen sollen? Ja, vielleicht hätte ich das tun sollen. Aber ich konnte nicht. Und was hätte ich sagen sollen, wie ich die letzten Jahre meines Lebens verbracht hatte? Wie hätte ich woanders so viel Geld verdienen können?
    »Aber das brauchen wir ja nicht zu erzählen«, schob ich schnell hinterher. »… ich meine, deiner Familie.«
    »Und wenn unsere Bekannten mich fragen, was du machst?«, fragte er unangenehm berührt.
    Vielleicht kenne ich ja schon den einen oder anderen von ihnen, hätte ich fast gesagt. Ich war schon einmal in einem Haus ganz in Christians Nähe gewesen. Bei einem Mann und einer Frau. Aber ich sagte nichts. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch immer einen Rest Hoffnung.
    Ich könne ihnen gern etwas vorspielen, bot ich an. Wenn ihm das wichtig sei. Nur er und ich würden Bescheid wissen und nie mehr darüber reden. Wie wir auch all das andere geheim halten würden. Wir könnten doch einfach sagen, ich hätte im Lotto gewonnen. »Das kommt schon mal vor«, sagte ich lächelnd.
    Aber er erwiderte mein Lächeln nicht.
    In diesem Augenblick hatte ich meinen Stolz verkauft. Meine Ehre.
    Jetzt hatte ich nichts mehr.
    »Denk darüber nach«, sagte ich. Aber der Blick, den er mir zuwarf, war wie ein Schlag ins Gesicht.
    Dieses Arschloch.
    Dieses Riesenarschloch, das plötzlich eine unerwünschte Hurenschwester bekommen hatte und an seine Herkunft erinnert worden war: an den Mann, der seine Frau getötet hatte. Christians Mutter.
    Er hatte alles bekommen, was man nur bekommen konnte: Geld, Familie, Firma, Prestige.
    Ich hatte von zu Hause nichts mitnehmen können.
    Trotzdem gab es für eine wie mich keinen Platz.
    Konnten wir nicht wenigstens unseren Hass auf ihn teilen? Die Wut auf den Mann, der unser beider Leben zerstört hatte? Der uns verpestet hatte, getrennt, und der dafür gesorgt hatte, dass die Gesellschaft mich mit ihrer Verachtung bestrafte?
    Ich hatte mich an ein Leben ohne Familie gewöhnt. War hart geworden und allein zurechtgekommen.

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