Schrei in Flammen
wir dieses Gespräch weiterführen wollen, würde ich gerne erst mit einem Anwalt reden.«
*
Ich sitze in einem Taxi.
Meine Handflächen sind feucht. Die Nervosität macht meinen Nacken seltsam steif.
Gleich werde ich meinen Beinen den Befehl geben auszusteigen und nach dem Klingeln in den dritten Stock zu gehen, wo mir ein Mann, den ich nicht kenne, öffnen wird.
In einer Stunde, von jetzt ab, werde ich die Grenze überschritten haben. Ich hätte es gern schon hinter mir. Wäre gern schon auf der anderen Seite.
Der Fahrer trommelt ungeduldig auf das Lenkrad. Er ist mittleren Alters, hat schlechte Laune und sich bestimmt schon ausgerechnet, was ich mache, sagt aber nichts. Er will mich aus seinem Taxi haben. Ich muss mich zusammenreißen.
Lege zum siebten Mal Lippenstift auf.
Sage mir, dass ich es jetzt tue.
Dass es jetzt so weit ist.
Jetzt.
Dann kommt die Entschlossenheit, ich verlasse das Auto und gehe zur Tür. Er muss gewartet haben, denn er öffnet mir sofort. Ich gehe die Treppe hoch.
»Komm rein«, sagt er und lächelt nervös.
Ich bin erleichtert, als ich ihn sehe. Er ist gepflegt und nicht sonderlich alt. Ich habe mich ganz bewusst vorher nicht über ihn erkundigt, aber er ist okay. Im Flur stehen Kinderschuhe. Ich sehe schnell weg und folge ihm ins Wohnzimmer. Er hat Gläser und Flaschen auf den Tisch gestellt und das Licht gedimmt. Seine Nervosität entspannt mich. Ein Gefühl stellt sich ein, dass ich die Oberhand habe.
Er wird niemals herausfinden, dass es mein erstes Mal ist.
Er fragt, was ich trinken möchte. Ich bitte um einen Gin Tonic. Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, was ich sagen soll, wenn er nichts sagt, und verfluche mich selbst in den langen Sekunden, in denen er wortlos die Drinks mischt. Dann rettet er die Situation.
»Sie wollen zuerst das Geld, nicht wahr?«
Ich nicke. Wie konnte ich das vergessen? Er steht auf und holt es. Wir reden. Smalltalk. Über seine Arbeit. Mein Herz hämmert. Ich kann mich nicht konzentrieren, höre nicht zu, was er sagt. Ich muss das jetzt hinter mich bringen. Ich stehe auf und gehe zu ihm. Er führt mich ins Schlafzimmer.
*
»Ich übernehme jetzt das Verhör«, sagte Torsten Bistrup mit einem Gesichtsausdruck, als opfere er sich für die gute Sache. »Der Fall landet ja doch bei uns, da halte ich lieber gleich von Anfang an die Fäden in der Hand.«
»Du fängst an«, sagte Jens. »Aber es macht keinen Sinn, wenn wir nicht zwischendurch Fragen einwerfen können. Ich weiß, wie gut du Verhöre führst, aber auch du kannst nicht an alles denken, Torsten.«
»Es kommt auf das Timing an«, sagte Bistrup. »Und wenn ich einen Plan im Kopf habe, darf der nicht durch irgendwelche zufälligen Fragen kaputtgemacht werden.«
»Du fängst an«, wiederholte Jens.
Kurz darauf saßen sie wieder im Vernehmungsraum.
»Wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben«, sagte Bistrup und legte das Schwarzweißfoto auf den Tisch. »Bei diesem Bild. Es ist wohl für jeden ersichtlich, dass dieses Foto Sie zeigt.«
»Ist es das?«, fragte Asger Dahls Anwalt, Mogens Agerskov, der sich schnell eingefunden hatte, und warf einen kurzen Blick auf das Foto. »Das könnte jeder sein, dieses Foto ist für nichts zu gebrauchen.«
»Das sehen wir nicht ganz so«, sagte Bistrup. »Und wir sind grundsätzlich skeptisch Leuten gegenüber, die uns blanke Lügen auftischen. Wenn Sie nicht zugeben, dort gewesen zu sein, machen wir eine Rekonstruktion vor Ort und vergleichen diese dann mit der Aufnahme.«
Asger Dahl sah zu seinem Anwalt, um zu sehen, wie der darauf reagierte. Mogens Agerskov nickte.
»Ja«, sagte Dahl. »Natürlich.«
»Haben Sie eine dunkle Jacke?«
Asger Dahl nickte.
»Ja, natürlich haben Sie die«, sagte Bistrup. »Wir müssen Sie um die Kleider bitten, die Sie an diesem Abend getragen haben.«
Jetzt wurde Asger Dahl wütend und sah wieder zu seinem Anwalt. »Dürfen die das?«, fragte er. »Das Ganze ist doch vollkommen absurd. Mir ist mein Auto gestohlen worden, und zum Dank werde ich jetzt wie ein Schwerverbrecher behandelt?«
»Natürlich dürfen wir das«, sagte Bistrup im Brustton der Überzeugung. »Und wenn Sie nichts auf dem Kerbholz haben, kann es doch nur in Ihrem Interesse sein, dass alle Vorwürfe und Verdachtsmomente ausgeräumt werden, nicht wahr?«
Dahl sah zu Bistrup und entspannte sich etwas. »Natürlich, entschuldigen Sie.« Er fasste sich an den Kopf. »Es ist nur … Das Ganze geht mir verdammt nah. Es tut mir
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