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Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
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der bisherigen Firmenstory und den hochfliegenden Plänen lockte die Chance, an etwas möglicherweise Außergewöhnlichem mitwirken zu können. Viele ließen dafür vermeintlich sicherere Führungsjobs sausen. Zahlreiche Praktikanten aus der Frühzeit Zalandos oder gar Fliptops kamen zudem zum Unternehmen zurück, als sie ihr Studium beendet hatten, und machten hier schnell Karriere. Wegen dieses quasi privaten Rekrutierungssystems hatten die großen Headhunter-Unternehmen lange Zeit kaum eine Chance, vom Wachstum Zalandos zu profitieren. Die Aufträge kamen erst später und dann vor allem für typische Modejobs, die direkt mit der Ware und mit den Kollektionen zu tun hatten. Denn in dieser Disziplin hatte die WHU wenig qualifiziertes Personal zu bieten. »Uns war klar, dass wir mit unserem BWL-Hintergrund nicht auf Anhieb die Experten für Schuhe oder Mode sein würden«, so Schneider. Die Mischung aus zahlengesteuerten Jungmanagern und erfahrenen – älteren – Praktikern aus der Fashionbranche sei eine Grundlage für den Erfolg gewesen.
    Das Personal der – immer noch sehr überschaubaren – Einkaufsabteilung war fortan mindestens ausgelastet, zumeist jedoch überlastet. Denn 2010 war das große Jahr des Aufbruchs der jungen Firma – und das der nie da gewesenen Einkaufstouren. Besonders, nachdem Anfang des Jahres neben dem Onlinemarketing der erste skurile Fernsehspot – noch ohne Postbote, aber mit einem vor Zalando warnenden Mann im Kleiderschrank – die Marke schlagartig bekannt gemacht hatte. »Wir sind damals innerhalb von drei Monaten um das Zehnfache gewachsen.« Rubin Ritter erinnert sich an zahllose Runden mit den Einkäufern von Zalando, bei denen jeder vorstellte, was er noch irgendwo an Ware zusammensuchen konnte: »Und dann haben wir überlegt, ob der Preis in Ordnung war und ob wir die Posten kaufen. Wir konnten mit den Wünschen der Kunden kaum mithalten und einfach nicht so viel Ware besorgen, wie sie wollten.«
    Üblicherweise ordern Textilhändler ein Dreivierteljahr, oft sogar ein Jahr im Voraus, ihre Kollektionen. Zalando aber hatte diesen Vorlauf nicht, weil man sich so spät entschlossen hatte, richtig aufzudrehen. Also liefen Verkauf und Einkauf der Ware praktisch parallel – was den Stressfaktor unglaublich erhöhte. Denn ein solches Daytrading ist nicht unbedingt das, was die Steuerung eines Handelsunternehmens mit all seinen Vorlaufzeiten erleichtert. Damals haben sie praktisch alles gekauft, was am Markt zu bekommen war und was irgendwie zu Zalando passte. Ständig gab es wegen der rasant steigenden Bestellzahlen Nachschubprobleme – eine Katastrophe für jeden Händler: Man hat den Kunden, aber keine Ware!
    Manchmal allerdings sorgte eine andere Katastrophe für zeitweise – allerdings nur scheinbare – Linderung: »In dieser Zeit kam es vor, dass die Server unter dem hohen Traffic zusammenbrachen«, erinnert sich Gentz an die Chaostage. Zalando, das den Kundenservice doch so groß schreiben wollte, war für seine Kunden kurzzeitig nicht mehr erreichbar. Manchmal haben sie sogar kurzfristig Werbespots gestrichen, damit nicht das ganze System in die Luft flog.
    Ständig musste jetzt improvisiert werden, weil im laufenden Geschäft neue Produkte ins Sortiment genommen wurden. Oft kam Ware nicht zum vereinbarten Zeitpunkt vom Hersteller oder Großhändler. Oder sie kam zu früh und war folglich noch nicht im Warenwirtschaftssystem vereinnahmt, war nicht fotografiert und somit noch nicht reif für die Seite und den Verkauf. Dann stapelten sich die Kartons viel zu lange im viel zu kleinen Lager – während Zalando gleichzeitig nicht ausreichend lieferfähig war. Der für dieses tote, im Weg herumstehende Kapital üblicherweise verwendete Begriff »Sperrlager« ist bei den frühen Zalandos heute noch ein Codewort für dieses viel zu stürmische Wachstum mit all seinen ungewollten Nebenwirkungen.
    Mehr Mitarbeiter mussten also her, die die Sperrlagerware im System vereinnahmte, damit sie schnell verkauft werden konnte. »Wir haben buchstäblich neue Kollegen von der Straße engagiert. Unsere Mitarbeiter sind raus gegangen und haben vor einem Café neben dem Büro Passanten angesprochen, die irgendwie nach Studenten aussahen und ihnen einen Job bei uns angeboten«, erinnert sich Ritter. Das habe sogar funktioniert und unter den neuen Kollegen seien zahlreiche Volltreffer gewesen. »Mein kürzestes Vorstellungsgespräch dauerte eine halbe Stunde. Dann haben wir dem Mann ein Angebot

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