Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
besorgen, übernahm vor allem Oliver Samwer. Und der Geldbesorger hatte Erfolg – ausgerechnet bei Karl-Erivan W. Haub, dem Chef des über 140 Jahre alten Handelsunternehmens Tengelmann in Mülheim/Ruhr, das bisher weitgehend an seinen Läden hing und nicht als herausragend internetaffin galt. Den Haubs gehörten nicht nur die Supermarktkette Kaiser’s/Tengelmann, sondern auch eine große Beteiligung an Obi als Deutschlands größtem Baumarkt sowie Anteile am Textildiscounter KiK, an der Ein-Euro-Kette TeDi sowie zahlreiche Einzelhandelsimmobilien. Klassischer Handel also, wenig oder gar kein Online-Geschäft.
Haub hatte gerade nach einem heftigen Bieterduell zwischen Edeka und Rewe seine Discounterkette »Plus« – damals die Nummer drei hinter Aldi und Lidl – an Edeka verkauft. Nur plus.de , die Onlinesparte, hatte er behalten. Die Milliardäre aus Mülheim wurden durch diesen spektakulären Deal noch reicher. Samwer hatte Haub angerufen, den er bei einem Vortrag an der WHU kennengelernt hatte, nd ihn gefragt, ob er nicht bei ihm in einen jungen, aber ambitionierten Online-Schuhhändler investieren und eine Firma für seine Kinder aufbauen wollte (mehr dazu im zweiten Kapitel).
Die Firma Tengelmann war es, laut eigener Angaben, gewesen, die in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts als erster Händler aus den USA die Idee eines Selbstbedienungsladens nach Deutschland, nämlich nach München, gebracht hatte. Den aktuellen Evolutionssprung vom stationären Handel zum Onlinehandel vergleichen viele Branchenexperten in ihrer Bedeutung und im Ausmaß der Veränderung des Einkaufsverhaltens der Kunden mit der damaligen Entwicklung vom Geschäft mit Tresen und Bedienung zum Selbstbedienungs-Supermarkt. Ob Haub es seinen Vorgängern in puncto Innovationsbereitschaft jetzt, Ende 2009, gleichtun wollte?
Tatsächlich sagte Haub bei Samwer zu, »weil er wohl ebenfalls die Grundüberzeugung hatte, dass die Zukunft des Handels Online sein würde«, meint Gentz. Haub stand auch hinter dem Konzept, das Sortiment von Schuhen auf Mode auszuweiten. Im Textilhandel kannte er sich durch seine KiK-Beteiligung ja aus.
Zum ersten Mal investierte damit ein erfahrener Händler in großem Umfang bei Zalando. Das war etwas Neues, denn bisher hatten sich mit Rocket Internet und Holtzbrinck Ventures nur typische Internet-Investoren finanziell am Schuhgeschäft für das 21. Jahrhundert beteiligt. Kurz vor Weihnachten hatte Haub unterschrieben. »Das war ein tolles Signal für uns als Start-up im Handel und für alle, die uns beobachteten. Wir haben uns in den Weihnachtsurlaub verabschiedet, mit dem Gefühl: Jetzt geht es richtig los mit Zalando«, sagt Gentz. Denn Haub investierte richtig viel Geld: mehrere Millionen Euro.
Nach dem Beschluss ein paar Wochen zuvor, das Unternehmen richtig groß zu machen, war der Einstieg von Haub wohl so etwas wie der entscheidende »Zalando-Moment«. Der Augenblick, in dem in Gedanken und Businessplänen tatsächlich jenes Unternehmen entstand, über das bald alle reden würden. Gentz und Schneider sollten nun unter Beweis stellen, dass sie Pläne und Beschlüsse ähnlich schnell, konsequent und effektiv umsetzen können wie die Samwer-Brothers. Gentz tat, was er überhaupt am liebsten tut: Systeme »skalieren«, also ausrollen. Allen voran die IT, das Marketing und nicht zuletzt das bisher noch sehr spärlich besetzte Management.
Zalando musste angesichts der neuen, überaus ehrgeizigen Ziele jetzt auf ganz neue Füße gestellt werden. Damit organisierten Gentz und Schneider faktisch bereits das vierte Unternehmen innerhalb von knapp drei Jahren: nach Unibicate, Fliptops und dem »kleinen« Zalando aus der Torstraße jetzt das »große« Zalando, den künftigen Wachstums-Europameister. Rund 150 Mitarbeiter hatte das Start-up inzwischen, die noch mal ganz tief Luft holen sollten für das, was kommen würde.
»Wir brauchten im Management unbedingt jemanden, der das Erreichte zusammenhalten, durchstrukturieren und weiter systematisch ausbauen konnte. Denn David und ich verbrachten inzwischen den Großteil unserer Zeit damit, Klippen zu umschiffen, die irgendwo auf dem Weg auftauchten«, sagt Gentz. Das Gründer-Duo suchte – nicht lange – genau dort, wo die Samwers sie selber entdeckt hatten: bei den Ehemaligen der WHU, ihrer früheren Hochschule in Vallendar. Rubin Ritter war der erste Kandidat. Er hatte mit Gentz und Schneider im selben Jahrgang studiert. »Natürlich denkt man in einer
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