Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
das erste Zalando-Team an der Torstraße ein, das nach ihrer Erinnerung gerade aus etwa zehn festen Mitarbeitern und ein paar Werkstudenten bestand. »Ich habe zwar an das Konzept geglaubt. Aber ich hatte keine Ahnung, dass das so schnell so groß werden würde.«
Statt wie zuvor Kleidung und Schuhe kaufte sie jetzt für ihren neuen Arbeitgeber also nur noch Schuhe ein. »Nach zwei Monaten aber sagten David und Robert: Kannst du nicht auch Textilien einkaufen? Die Leute, die bei uns Schuhe bestellen, tragen doch auch noch was anderes.« Der Textilmarkt ist deutlich größer als der für Schuhe. Skalierungs-Fans wie die von Zalando müssen also fast zwangsläufig rein in diesen Markt.
Also machte Reth erst einmal beide Jobs, den der Einkäuferin für Schuhe und auch noch gleich für die neue Kategorie Mode. »Es war sicher hilfreich, dass ich schon ein gutes Netzwerk hatte und mich die Leute bei den Herstellern kannten. Das senkte die Hürden für Zalando als neuen Modeanbieter.« Die Warenkreditversicherer standen damals schließlich noch nicht so geschlossen hinter dem jungen Onlinehändler wie heute. Bei Warenkreditversicherer – etwa coface, Euler Hermes oder atradius – sichern die Hersteller die Risiken ihrer Lieferungen an Einzelhändler ab, damit sie sich darauf verlassen können, dass sie ihre Rechnungen auch bezahlt bekommen. Und je wackeliger den Warenkreditversicherern die Handelsunternehmen erscheinen, desto höhere (Risiko-)Gebühren verlangen sie für ihre Dienste von den Herstellern. Typisch Versicherung also. Und ein gerade in den Markt gestarteter Onlinehändler wird bei den Versicherern nun mal als deutlich höheres Risiko eingestuft als P&C, Breuninger oder Kaufhof.
Auch deshalb startete Claudia Reth Zalandos Modesparte – ganz nah der noch jungen Tradition des Hauses – erst einmal vorsichtig mit kleinen Mengen. Aber mit bekannten Logos. »Es war wichtig, dass einige große Marken von Anfang an dabei waren. Die fungierten als Türöffner, dann kamen auch die kleineren fast automatisch nach.« Unter diesen Mode-Türöffnern waren einige, die – wenn sie denn sowohl Schuhe als auch Mode herstellten – zuvor schon beim Schuh-Start von Zalando zu den Pionieren gezählt hatten, etwa Adidas oder Diesel. Auch G-Star oder Tommy Hilfiger holte sie sofort an Bord, um mit einer attraktiven Markenpalette starten zu können.
Den Schuh-Einkauf hat sie dann bald abgegeben und sich ausschließlich mit dem Aufbau des Modeeinkaufs beschäftigt. »Da kamen dann schnell gute Leute mit Erfahrung dazu, etwa vom KaDeWe in Berlin oder großen Katalogversendern. Das wurde ein sehr gutes Team.«
Wieder einmal hatte das Zalando-Prinzip funktioniert: Chancen – auch mithilfe der geliebten Zahlen – ausmachen, im kleinen Team zunächst ohne großes öffentliches Aufhebens erst einmal vorsichtig und ohne allzu risikoreichen Einsatz von Ressourcen starten, testen, lernen, verbessern. Und dann irgendwann mit Volldampf – da ist es wieder, dieses Wort: – skalieren. Die Kalkulation ging auf. Schnell wurde der Modehandel so hochskaliert, dass er einen ähnlichen Umsatzanteil brachte wie die Schuhe: also knapp die Hälfte.
Betriebswirtschafterin Reth sieht sich dabei ganz und gar als Mode-Frau, vertritt also die Bauch-Fraktion im Unternehmen: »Selbstverständlich sind die Zahlen superwichtig für uns. Aber es geht immer um Mode. Und da kann man nicht alles so analytisch vorhersagen. Dafür braucht man dieses Gefühl, diese Leidenschaft für Mode. Und diese Erfahrung.«
Zum Beispiel? »Lange Zeit liefen Label-Shirts sehr gut. Würden wir das Unternehmen nur nach den Erfolgszahlen steuern, hätte ich weiterhin Tausende Shirts mit den Logos großer Marken auf der Brust eingekauft – und wäre letztendlich wahrscheinlich darauf sitzen geblieben. Der Trend flaute nämlich ab. So etwas sollte man möglicht früh spüren.« Immer nur sichere Ware anzubieten, die bisher gut gelaufen ist, das werde auf Dauer im durch Saisons geprägten Modegeschäft keinen Erfolg bringen. Und man müsse auch mal was riskieren. 30 Prozent Umsatzanteil der Onlinehändler im Fashion-Gesamtmarkt hält sie bis 2015 oder 2016 schon für möglich, Zalando werde sich einen bedeutenden Teil davon holen.
Das Typische am Arbeiten bei Zalando? »Hier werden Entscheidungen sehr viel schneller gefällt als anderswo. Eigene Ideen oder Änderungen kann man sofort umsetzen. Beschlüsse fallen sehr pragmatisch, also auf die Lösung eines Problems
Weitere Kostenlose Bücher