Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
allerdings war der ganz normale Klingelton des Handys, der für einen Anruf. »Wir waren immer heilfroh, wenn mal ein Kunde anrief«, erinnert sich Gentz, »dann konnten wir ihn fragen, was gut funktioniert an der Seite und was nicht, was wir besser machen können und was er sich noch wünscht.« Hier machte der Gründer und Chef den Kunden-Service also noch höchst persönlich und sparte sich gleichzeitig teure Gutachten von McKinsey oder Roland Berger.
Mit 100 Paar Flip Flops – darunter auch solche der Kultmarke »Havaianas« – für ein paar Hundert Euro Warenwert begann das junge Zwei-Mann-Unternehmen. Die Firma sollte nicht dazu dienen, Geld zu verdienen, sondern »Learnings« zu bekommen, mit deren Hilfe man später richtig viel Geld verdienen würde. Produkte, die sie beim Großhändler nicht bekamen, besorgten sie sich einfach bei anderen Händlern und verkauften sie zum Einstandspreis ohne Gewinn weiter. Sie brauchten schließlich eine gewisse Auswahl und wollten verstehen, wie das Geschäft funktioniert, bevor sie das knappe Startkapital aus dem Hause Samwer antasten wollten.
Wie sortiert man eigentlich Schuhe, wenn man sie im Netz verkaufen will? Nach Marken? Nach Farben? Nach Größen? Und wie verpackt man sie? Lauter Fragen, mit denen sich die früheren Elite-Studenten der WHU nun plötzlich befassen mussten. Gentz beschäftigte sich unter anderem mit dem Marketing im Netz und mit den besten Kanälen, über die die neue Marke möglichst kosteneffektiv bekannt gemacht werden konnte
Rocket Internet hatte den beiden Gründern Programmierer zur Verfügung gestellt, »die sich wirklich auskannten. Das war sehr hilfreich. Wir wussten ja nicht, wie man eine Internetseite programmiert. Wir konnten denen nur immer sagen, wie wir uns das aus Kundensicht vorstellen.« Sowohl für die Übungsfirma Fliptops wie später für »die große Seite«, wie Gentz Zalando nennt.
Wobei sich die Begeisterung der Rocket-Programmierer über diese beiden Plastik-Sandalenhändler bisweilen durchaus in Grenzen hielt. Etwa an jenem Tag, als David Schneider mit einem Stapel Kartons über ein Stromkabel stolperte und die Verbindung schwungvoll aus der Steckdose kickte. Was zur Folge hatte, dass die Bildschirme gleich mehrerer Programmierer schlagartig schwarz wurden und deren Werk der vergangenen Minuten wohl im Orkus landete. Die Reaktionen der Computerfreaks kann man sich vorstellen. Schneider hatte mit den Kartons auf dem Arm zum Schwarzweiß-Drucker der Computerfreaks – den durften die Schuhleute mit benutzen – eilen wollen, der weiße Klebeetiketten mit dem selbst entworfenen Fliptops-Logo bedruckte: »Da musste man ziemlich schnell sein. Sonst kam ein anderer Druckauftrag dazwischen und jemand hatte lauter Fliptop-Logos auf seinem Ausdruck.« Ja, damals …
Der Servicegedanke, den beide in den deutschen Onlinemarkt bringen wollten, manifestierte sich unter anderem darin, dass bereits der Zalando-Vorgänger seine Freizeitlatschen versandkostenfrei verschickte. »Das haben die Kunden extrem geschätzt, das hörten wir immer wieder«, sagt Gentz. Denn das war damals im deutschen Handel durchaus nicht üblich und ist es heute noch nicht. C&A zum Beispiel berechnet noch 2013 Versandkosten, Billighändler KiK verlangt in seinem gerade erst gestarteten Web-Shop 4,95 Euro pro Sendung, selbst Premium-Anbieter Escada verlangt von seinen Kundinnen Geld für die Lieferung. Ohne den Versandkostenbeitrag der Kunden, hört man in der Branche immer wieder, könne sich das Onlinegeschäft nicht rechnen.
Bei Gentz und Schneider allerdings sollte das schon 2008 anders sein: Denn obwohl sie von ihren Kunden kein Porto verlangten, blieb pro Bestellung ein Gewinn übrig in dem kleinen Übungsbetrieb unter Realbedingungen. Wobei man einberechnen muss, dass sie sich selber keine ernsthaften Gehälter zahlten und somit nur geringe Overhead-Kosten anfielen, was die Bilanz deutlich günstiger aussehen ließ. Dennoch hatten sie Blut geleckt: In dieser Branche war tatsächlich etwas zu holen, sogar ohne Versandkostenpauschale.
Das Flipflop-Fliptops-Projekt erwies sich tatsächlich eher als Top denn als Flop: »Der Testlauf funktionierte wirklich gut«, erinnert sich Gentz, »es war auch ein sehr heißer Sommer im Juli und August 2008.« Der bisherige Marktführer im deutschen Online-Flip-Flop-Handel, »Die Strandsandale«, hatte echte Konkurrenz bekommen. Und schon bald lief das Geschäft so gut, dass fliptops.de am besten Tag sage und schreibe
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