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Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
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einmal ein Umspannwerk für Elektrizität gewesen war. Das
war nun die perfekte Location für ein Start-up-Unternehmen im virtuellen
Handel. Die Kombination aus sauberen, hellen Großraumbüros mit schicken
Apple-Computern und Schalen voller Obst für alle Mitarbeiter und der über 100
Jahre alten, bewusst rustikal belassenen Industriearchitektur in Fluren oder
Treppenhäusern entsprach genau dem Wohlfühl-Klischee der jungen Web
2.0-Arbeiter. Junge Frauen und Männer aus aller Herren Länder arbeiten hier,
einer sogar aus dem Vatikanstaat, jeder mit einem Fähnchen seines Heimatlandes
auf dem Schreibtisch. Neben Deutsch spricht man hier vor allem Englisch – und
zwar Englisch mit allen möglichen europäischen und außereuropäischen Akzenten.
    Der Umzug an den neuen Standort lief wie so oft trotz aller
Vorplanung letztlich doch stark improvisiert ab. Der Platzmangel an der
Zinnowitzer Straße war evident, also wurde jeder Raum, den die Handwerker an
der Sonnenburger Straße fertig bekamen, sofort am nächsten Tag von den
Mitarbeitern bezogen. Spätestens. Nebenan gingen die Arbeiteten mit Lärm,
Erschütterungen und Gerüchen selbstverständlich weiter. Selten dokumentierte
sich auch nach außen so deutlich wie jetzt, dass das Unternehmen Zalando eine
ewige Baustelle war.
    »Als wir zum ehemaligen Umspannwerk in der Sonnenburger Straße
kamen, dachten wir noch: Das ist ja viel zu groß für uns«, erinnert sich
Geschäftsführer Schneider – und mietete erst einmal nur einen Teil des
Gebäudes. »Wir waren ganz stolz auf unseren Mietvertrag, in den wir
Erweiterungsoptionen eingebaut hatten, schrittweise über die nächsten zwei bis
drei Jahre. Wir dachten, das hätten wir clever und vorausschauend gemacht. Aber
nach sechs Monaten hatte wir alle Optionen gezogen und belegten sämtliche
Flächen.« Einschließlich des sozialistischen Plattenbaus auf dem Gelände.
    Was in anderen Konzernzentralen eine dieser immer gleich
aussehenden Kantinen ist, wurde in der Sonnenburger Straße eine große, hohe
Industriehalle. Der Lastkran hängt noch unter der Decke, Hinweise auf die
maximale Belastbarkeit des längst nicht mehr belasteten Gerätes befinden sich
an den Wänden. Dazu diese gelb-schwarzen Warnbalken, die verhindern sollen,
dass man gegen Ecken und Kanten läuft. Stellte man große Maschinen hinein,
würde die Zalando-Mittagslounge sofort wieder nach Produktionsbetrieb aussehen.
Wenn es heller wäre, jedenfalls.
    Jetzt aber liegt alter Teppichboden drin. Darauf stehen
Biertisch-Garnituren auf der einen Seite und auf der anderen die Reste von Omas
– oder vielleicht sogar Uromas – Wohnzimmer: alte Ohrensessel, die den
Sitzenden gefühlt einen Meter tief einsinken lassen, weil die Federn vermutlich
schon seit Jahrzehnten keinerlei Widerstand mehr leisten. Daneben stehen die
passenden Nachkriegs-Stehlampen und Beistelltischchen vom Flohmarkt. Ein
Barista bietet in seiner fahrbaren Kaffeeküche alles, was es bei Starbucks auch
gibt. Eine Berlinerin jenseits des klassischen Zalando-Kunden-Klischees
verkauft Selbstgekochtes zum Mittag: etwa Spaghetti mit Wurstsoße für 4,50
Euro. Dazu wummern im Hintergrund coole Lounge-Klänge aus einer Musikanlage,
die klingt, als habe sie viel Geld gekostet. Wie im Club vor oder nach dem
großen Gäste-Ansturm. Es ist alles ganz anders als in den
Verköstigungs-Ressorts der Zentralen von Otto, C&A, Gerry Weber oder Hugo
Boss. Die meisten Mitarbeiter gehen mittags in die zahlreichen Restaurants,
Bistros und Cafes hier unweit der U-Bahn-Station Schönhauser Allee. Aber wer
wenig Zeit hat, bleibt halt hier und isst in der Zalando-Oma-Club-Lounge.
    Ein paar Kilometer entfernt im brandenburgischen Großbeeren war
im Herbst 2010 der erste große Logistikstandort des Couch Commerce-Überfliegers
in Betrieb gegangen. Der niederländische Dienstleister Docdata – spezialisiert
auf Logistik für Online-Händler – baute eine Belegschaft von 1 000 Mitarbeitern
auf, die in drei Schichten Pakete packen und in die DHL-Lastwagen schieben.
Begonnen hatte es mit 10 000 Quadratmetern Fläche, als Zalando noch einer der
kleinsten Kunden von Docdata war. Bald wurde der Standort auf 25 000
Quadratmeter erweitert – und Zalando gehörte zu den größten Kunden von Docdata.
    2011 beschleunigte sich das dramatische Wachstum weiter: Eine
halbe Milliarde Euro Umsatz standen schließlich in der Bilanz des Schuh- und
Modehändlers. Die Bestellungen kamen jetzt aus Deutschland, Österreich,

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