Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
Holland,
Frankreich, Italien und der Schweiz. Zalando war also inzwischen ein
europäisches Unternehmen, auch wenn die Auslandsgesellschaften weitgehend von
Berlin aus gesteuert wurden und werden.
Die härteste Nuss, die das Management dabei knacken musste, war
die Schweiz. Die Dreisprachigkeit bildete noch das geringste Problem: Werbung
macht Zalando inzwischen sowohl auf Deutsch, Französisch als auch
Schweizerdeutsch. Die Homepage gibt es in einer deutsch- und in einer
französischsprachigen Version.
Als größte Hürden erwiesen sich die Besonderheiten, die daraus
resultieren, dass die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Man
zahlt dort bekanntlich mit Franken, und wer etwas einführen will, bekommt die
eidgenössischen Zollschranken zu spüren. Jeder Empfänger muss für sein Paket
etwa aus Deutschland den Zoll zahlen, entweder direkt beim Paketboten oder auf
dem Zollamt. Zudem kostet der Behördendurchlauf viel Zeit auf dem Weg zum
Kunden – das sind genau die Bedingungen, die einen grenzüberschreitenden Onlinehandel
töten. Und tatsächlich vermochten es die eidgenössischen Zollbarrieren
jahrelang zu verhindern, dass Ausländer nennenswerte Stücke vom großen
Schweizer E-Commerce-Kuchen bekamen. Nicht einmal Amazon spielte in der Schweiz
eine bedeutende Rolle. Die Franken blieben somit im Land, das Geschäft machten
die Onlinehändler mit dem »ch« am Ende ihrer Adresse.
Es waren sehr viele Franken – nach Schätzungen bis zu zehn
Milliarden im Jahr –, die die Schweizer im Internet ausgaben. Die
Online-Kauf-Quote ist hier höher als die in den meisten anderen europäischen
Ländern. Sehr viele Schweizer sind zudem mit dem Smartphone unterwegs, einem
Gerät, dem beim E-Commerce in Zukunft eine immer größere Rolle zukommen dürfte.
Zudem gelten die Schweizer in ihrer Mehrheit auch noch als recht wohlhabend.
Unter all diesen Aspekten passt das kleine Land nun wieder prima ins
Beuteschema eines jeden expandierenden europäischen Onlinehändlers. Wenn nur
diese hohen Zollschutzwälle nicht wären.
Bei Zalando beschlossen sie im Juni 2011 mit jugendlichem
Optimismus, diese Mauern irgendwie zu überwinden, die sie von einem hoch
lukrativen Markt noch trennten. Patrick Rief, ein junger Absolvent der
Hochschule St. Gallen mit Schweizer Pass, sollte den weiß-orangen Paketen einen
schnellen Zugang in sein Heimatland verschaffen. »Eine Lieferung innerhalb von
drei Wochen war damals kein Problem. Aber das war natürlich überhaupt nicht
akzeptabel. Die Zustellung innerhalb von drei bis fünf Tagen aus Deutschland
heraus war praktisch unmöglich«, sagt Rief. Während die Zalando-Logistiker
üblicherweise einfach so viele Pakete – sorgfältig gescannt – in den Lastwagen
schieben, bis er voll ist, war das bei Schweiz-Lieferungen sehr viel
komplizierter: »Jedes Paket erhielt eine Zollnummer, nachdem es gewogen worden
war. Es musste dokumentiert werden, in welchem Lkw es transportiert wird und
wann dieser über die Grenze fährt.« Schlechtere Voraussetzungen für eine
schnelle und kostengünstige Lieferung konnte es kaum geben.
Allerdings begannen die Schwierigkeiten schon im Zollamt in
Berlin-Marzahn: Ein Handelsunternehmen, das in riesigen Mengen Schuhe und Mode
an Einzelkunden in die Schweiz schicken will – das hatten sie in Marzahn noch
nicht. Ausgerechnet ein Traditionsunternehmen wie die Schweizerische Post
jedoch erwies sich als Verbündeter der jungen Internetkrieger von Zalando gegen
das jahrhundertealte Grenzregime. »Die Schweizer Post hat sehr schnell erkannt,
dass der grenzüberschreitende Onlinehandel für sie riesige Wachstumschancen
bietet«, sagt Rief. Sogar die Zollbehörden gaben sich schließlich
aufgeschlossen. Nach monatelangen Verhandlungen mit Behörden und
Logistikpartnern entwickelte Zalando ein System, das für den Kunden bequem und
günstig ist: Der Lkw fährt als eine Art Black Box abends im Auslieferungslager
in der Nähe von Berlin los, bei der Zollverwaltung an der Grenze erledigt
Zalando die Formalitäten für die gesamte Ladung. Fertig verzollt erfolgt dann
die Auslieferung an die Schweizer Kunden »30 bis 36 Stunden, nachdem die Ware
das Logistikzentrum in Brieselang verlassen hat. Es ist für uns die
aufwändigere, aber für den Kunden die bequemere Art«, sagt Riet. Ein ähnliches
System installierte Zalando 2012 dann auch in Norwegen, das ebenfalls nicht zur
EU gehört und für internationale Onlinehändler ein schwieriges Pflaster ist.
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