Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
diese zierliche Frau wäre Zalando wahrscheinlich
nicht so schnell einer der großen Modehändler in Europa geworden. Claudia Reth
war schon seit 13 Jahren Textileinkäuferin bei anderen Modehändlern, bevor sich
alles änderte. »Irgendwann sprachen mich Vertreter von Herstellerfirmen darauf
an, dass es in Berlin diesen neuen Schuh-Onlinehändler namens Zalando gebe.«
Das fand sie spannend, und beschäftigte sich mit dem Thema. Und wie so oft:
Nach einem Gespräch mit den beiden Gründern wechselte sie zu Zalando. Gentz und
Schneider scheinen mit ihrer lockeren, freundlichen Art, die ihren Ehrgeiz
nicht überdeckt, etwas zu haben, das bei anderen Leuten den Wunsch erzeugt, für
sie zu arbeiten. »Die beiden sind einfach sehr sympatisch. Und man merkt, dass
sie mit voller Energie dabei sind und an ihr Ziel glauben.«
Claudia Reth stieg 2009 noch in das erste Zalando-Team an
der Torstraße ein, das nach ihrer Erinnerung gerade aus etwa zehn festen
Mitarbeitern und ein paar Werkstudenten bestand. »Ich habe zwar an das Konzept
geglaubt. Aber ich hatte keine Ahnung, dass das so schnell so groß werden
würde.«
Statt wie zuvor Kleidung und Schuhe kaufte sie jetzt für
ihren neuen Arbeitgeber also nur noch Schuhe ein. »Nach zwei Monaten aber
sagten David und Robert: Kannst du nicht auch Textilien einkaufen? Die Leute, die
bei uns Schuhe bestellen, tragen doch auch noch was anderes.« Der Textilmarkt
ist deutlich größer als der für Schuhe. Skalierungs-Fans wie die von Zalando
müssen also fast zwangsläufig rein in diesen Markt.
Also machte Reth erst einmal beide Jobs, den der
Einkäuferin für Schuhe und auch noch gleich für die neue Kategorie Mode. »Es
war sicher hilfreich, dass ich schon ein gutes Netzwerk hatte und mich die
Leute bei den Herstellern kannten. Das senkte die Hürden für Zalando als neuen
Modeanbieter.« Die Warenkreditversicherer standen damals schließlich noch nicht
so geschlossen hinter dem jungen Onlinehändler wie heute. Bei
Warenkreditversicherer – etwa coface, Euler Hermes oder atradius – sichern die
Hersteller die Risiken ihrer Lieferungen an Einzelhändler ab, damit sie sich
darauf verlassen können, dass sie ihre Rechnungen auch bezahlt bekommen. Und je
wackeliger den Warenkreditversicherern die Handelsunternehmen erscheinen, desto
höhere (Risiko-)Gebühren verlangen sie für ihre Dienste von den Herstellern.
Typisch Versicherung also. Und ein gerade in den Markt gestarteter
Onlinehändler wird bei den Versicherern nun mal als deutlich höheres Risiko
eingestuft als P&C, Breuninger oder Kaufhof.
Auch deshalb startete Claudia Reth Zalandos Modesparte –
ganz nah der noch jungen Tradition des Hauses – erst einmal vorsichtig mit
kleinen Mengen. Aber mit bekannten Logos. »Es war wichtig, dass einige große
Marken von Anfang an dabei waren. Die fungierten als Türöffner, dann kamen auch
die kleineren fast automatisch nach.« Unter diesen Mode-Türöffnern waren
einige, die – wenn sie denn sowohl Schuhe als auch Mode herstellten – zuvor
schon beim Schuh-Start von Zalando zu den Pionieren gezählt hatten, etwa Adidas
oder Diesel. Auch G-Star oder Tommy Hilfiger holte sie sofort an Bord, um mit
einer attraktiven Markenpalette starten zu können.
Den Schuh-Einkauf hat sie dann bald abgegeben und sich
ausschließlich mit dem Aufbau des Modeeinkaufs beschäftigt. »Da kamen dann
schnell gute Leute mit Erfahrung dazu, etwa vom KaDeWe in Berlin oder großen
Katalogversendern. Das wurde ein sehr gutes Team.«
Wieder einmal hatte das Zalando-Prinzip funktioniert:
Chancen – auch mithilfe der geliebten Zahlen – ausmachen, im kleinen Team
zunächst ohne großes öffentliches Aufhebens erst einmal vorsichtig und ohne
allzu risikoreichen Einsatz von Ressourcen starten, testen, lernen, verbessern.
Und dann irgendwann mit Volldampf – da ist es wieder, dieses Wort: – skalieren.
Die Kalkulation ging auf. Schnell wurde der Modehandel so hochskaliert, dass er
einen ähnlichen Umsatzanteil brachte wie die Schuhe: also knapp die Hälfte.
Betriebswirtschafterin Reth sieht sich dabei ganz und gar
als Mode-Frau, vertritt also die Bauch-Fraktion im Unternehmen:
»Selbstverständlich sind die Zahlen superwichtig für uns. Aber es geht immer um
Mode. Und da kann man nicht alles so analytisch vorhersagen. Dafür braucht man
dieses Gefühl, diese Leidenschaft für Mode. Und diese Erfahrung.«
Zum Beispiel? »Lange Zeit liefen Label-Shirts sehr gut.
Würden wir das Unternehmen nur nach den
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