Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
wagemutige Zukunftsideen im Internet, weil sie dafür damals gar keines mehr
dafür übrig hatten. Im Nachhinein war das ein Glück, denn anders als viele
andere verloren sie damit in den frühen Netz-Abenteuern des deutschen
Einzelhandels kein Geld. Beide Erfahrungen jedoch – die eigene Firmenkrise auf
der einen und das laute und teure Platzen der Dotcom-Blase auf der anderen
Seite – erhöhten nicht gerade die Risikolust des neuen Firmenchefs in Mülheim
an der Ruhr. Zunächst sehr vorsichtig baute er zusammen mit Mitinhaber Stefan
Heinig später in Eigenregie die Discounterketten KiK und TeDi auf, um neuen
Umsatz für das zwangsgeschrumpfte Unternehmen zu generieren. Teure und
risikoreiche Übernahmen probierte er nie.
Dass ausgerechnet dieser Karl-Erivan Haub knapp ein Jahrzehnt
später zu einem der frühen Zalando-Investoren wurde, hatte irgendwie auch mit
dem Erfolg der Discounter Aldi und Lidl zu tun. Um mehrere Ecken jedenfalls.
Denn den Haubs gehörte die ewige Nummer drei am Markt der Billiganbieter, die
Kette Plus. Irgendwann im Jahr 2008 war der Familie klar, dass sie mit dem
Expansionstempo und der Finanzkraft von Aldi und Lidl nicht würden mithalten
können. Also beschlossen sie, Plus zu verkaufen. Auf ähnliche Weise hatten sie
sich zuvor schon von kd getrennt: Die Drogeriemarktkette spielte in Deutschland
nur eine untergeordnete Rolle gegenüber den damaligen Platzhirschen Schlecker,
dm und Rossmann. Haub verkaufte kd an den Branchendritten Rossmann. Für den
Plus-Deal nun gab es zwei natürliche Interessenten: die Kölner Rewe, deren
Discounter Penny als Nummer vier im Markt ebenfalls zu klein für eine
erfolgreiche Zukunft war, und die Edeka aus Hamburg. Deutschlands größter
Lebensmittelhändler besaß mit Netto Markendiscount einen der Zwerge der
Branche, der noch hinter Penny rangierte. Welcher der beiden Handelskonzerne
allerdings Plus dazubekäme, würde plötzlich bundesweit eine bedeutende Rolle im
Discountmarkt spielen. Diese Situation wusste Haub zu nutzen: Geschickt trieb
er die beiden Kontrahenten gegen einander, die sich nun ein spektakuläres
Bietergefecht um Plus lieferten. Legendär ist die Szene, in der ein wegen des
stetig steigenden Preises ärgerlicher Rewe-Chef Alain Caparros Plus-Verkäufer
Haub sein Sakko vor die Nase hielt und bitter sagte: »Hier, nehmen Sie das auch
noch!« Tat er aber nicht. Stattdessen verkaufte Haub Plus an Edeka, für den
Traumpreis von weit mehr als einer Milliarde Euro.
Bis hierher hat die Geschichte noch wenig mit dem Onlinehandel
oder gar Zalando zu tun. Abgesehen davon, dass Haub » plus.de « bei seinem höchst lukrativen
Edeka-Deal nicht mit verkaufte, sondern behielt und selber betreiben wollte.
»Ich wollte verstehen, wie dieser Onlinemarkt funktioniert«, sagte er. Denn er
hatte bei seinen Kindern und deren Freunden gesehen, dass sie immer öfter im
Internet Waren bestellten, statt in Läden zu gehen. Das schien mehr als eine
kurzlebige Mode zu sein. Das roch nach einem Zukunftsmarkt. Und für so etwas
hatten die Haubs schon immer eine Nase.
Unabhängig davon hatte Haub an der Otto-Beisheim-Hochschule WHU
in Vallendar, dieser Elite-Uni für künftige Wirtschafts-Überflieger, einen
Vortrag gehalten. Viele Jung-Manager, die später rund um den Berliner
Firmenentwickler Rocket Internet und Zalando Furore machen sollten, haben hier
studiert. Auch die Samwer-Brüder. Zalandos Ur-Geldgeber Oliver Samwer saß nach
eigenen Worten im Publikum und hörte dem Gastdozenten Haub zu, der 140 Jahre
Handelserfahrung seiner Familie verkörperte. Und, was auf keinen Fall weniger
wichtig war, ein riesiges Vermögen.
Diese Kombination war für einen Firmenentwickler und
Geldeintreiber wie Oliver Samwer gar zu verlockend. Er handelte: »Im Oktober
2009 habe ich beschlossen: Den Herrn Haub rufe ich an und frage ihn mal, ob er
nicht ein Unternehmen für seine Kinder aufbauen möchte. Ich habe ihm gesagt:
Ich denke, dass E-Commerce auf jeden Fall passieren wird. Und ich glaube nicht,
dass Sie es mit ihrem Unternehmen alleine schaffen werden. Wollen Sie nicht auf
ein zweites Pferd setzen?« (Oliver Samwer, Tengelmann e-day, 8. März 2013,
Mülheim/Ruhr)
Samwer wollte Haub als Investor für Zalando, neben seinem
eigenen Unternehmen Rocket Internet und Holtzbrinck Ventures. Und tatsächlich:
Oliver und Marc Samwer überzeugten Haub, einen kleinen Teil seiner
Plus-Milliarde in dieses Jungunternehmen zu stecken, deren Gründer tatsächlich
glaubten, den Markt
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