Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
Internet- und Börsenhype der Zeit um die Jahrtausendwende. Er brachte zwar
auch in Deutschland Unmengen von Onlineunternehmen mit atemberaubenden
Börsenwerten, aber ohne nachhaltige Umsätze oder gar Gewinne hervor. Doch als
die Dotcom-Blase – dieses irrationale Anschwellen des Börsenwertes von
Internetunternehmen, die aus nicht viel mehr bestanden als einer Idee – zu
Beginn des neuen Jahrtausends platzte, war das gerade im vorsichtigen
Deutschland ein herber Rückschlag für die Onlinehandels-Kultur. Händler, die
versucht hatten, Lebensmittel oder Textilien im Netz abzusetzen, verloren
Millionen und hatten daraufhin für die nächsten Jahre die Nase voll von der
Idee, Handel ohne steinerne Geschäfte zu betreiben.
Online-Banking immerhin funktionierte ganz gut, das eine oder
andere Nischenangebot ebenfalls. Amazon und ebay waren die Helden des jungen
Marktes. Von den deutschen Firmen waren die klassischen Versandhändler ganz gut
im Geschäft, die Ottos, Quelles und die Neckermänner, mit Abstrichen auch noch
deren stationäre Schwester Karstadt. Diese Klassiker der Versorgungsbranche
beherrschten immerhin die hoch komplizierte Warenwirtschaft und die Logistik:
Wenn ein Kunde hier etwas bestellte, konnte er einigermaßen sicher sein, dass
der Artikel auch am Lager war und dann an der Haustür des Bestellers auch
ankam. Zahllose Gründer mit viel Dynamik, aber wenig Erfahrung waren genau
daran gescheitert. Sie hatten ihre Kunden frustriert, was die Chance auf
abermalige Bestellungen gegen null reduzierte.
Online würde in Zukunft wichtig werden, das ahnten die meisten
in der Handelsbranche schon. Aber wie wichtig würde es werden? Sollte man trotz
der ernüchternden ersten Erfahrungen schon wieder investieren? Und überhaupt:
Wann würde diese Zukunft denn beginnen, wann wollte der Kunde sie haben? Die
meisten deutschen Händler – Otto und wenige andere ausgenommen – waren der
Ansicht, dass es mit der Zukunft wohl noch ein wenig dauern würde. Vielleicht
müsste sich der Nachfolger mal ernsthaft mit dem Thema beschäftigen, jetzt wäre
es noch zu früh dafür.
Die Metro, Deutschlands größter Handelskonzern, hatte sich 2002
sogar vom Online-Geschäft wieder getrennt, nachdem sie zwei Jahre zuvor noch
einer der ganz großen europäischen Spieler in diesem Markt hatte werden wollen.
Sie verkaufte ihre Beteiligung an Primus Online, die Musik, Bücher, Videos,
Spiele und Drogerieartikel angeblich im Wert von 100 Millionen Euro im Jahr
über das Netz vertrieben hatte. Nachdem zuvor schon viele Onlinehändler wieder
geschlossen hatten, zog auch Metro-Chef Hans-Joachim Körber den Stecker. Er
hatte dem Onlinehandel ohnehin immer skeptisch gegenübergestanden. Sein
Vorstandskollege Zygmunt Mierdorf umschrieb die neue Marschrichtung des größten
deutschen Handelskonzerns mit einem abstrusen Satz: »Die heutige
E-Commerce-Strategie der Metro beruht auf einer Stärkung der stationären
Vertriebskanäle.« Mit anderen Worten: Unsere Onlinestrategie ist, dass wir
Online nicht machen.
Diese Strategie rächte sich später fürchterlich: Der Konzern,
zu dem neben Kaufhof, Real und dem Großhandel auch Media Markt und Saturn
gehören, spielt im zukunftsträchtigen Internetgeschäft noch im Jahr 2013 keine
bedeutende Rolle. Insbesondere Media Markt und Saturn haben den Anschluss an
die schnellen Onlinekonkurrenten nach dem späten Re-Start im Herbst 2011 bis
heute nicht gefunden. Elektronik, Computer, Fernseher oder andere technische
Produkte bestellt der internetaffine Kunde etwa bei amazon.de , aber nicht bei mediamarkt.de .
Die Metro-Tochter ist weiter auf der Suche nach ihrer Zukunftsperspektive.
Dass der Ausstieg aus dem Onlinehandel falsch war, mussten die
Metro-Verantwortlichen schon bald erkennen. Schnell setzten andere Händler über
den neuen Vertriebsweg nämlich Milliarden um. 2005, laut bvh zehn Jahre nach
dem Beginn des Onlinehandels in Deutschland, kauften schon 25 Millionen
Deutsche Online ein, der Umsatz lag bei 6,1 Milliarden Euro (Pressemitteilung
bvh, »Zehn Jahre E-Commerce in Deutschland«, 21.11.2005). Angesichts von über
413 Milliarden Euro, die der deutsche Einzelhandel insgesamt in dem Jahr
umsetzte, war das zwar immer noch eine winzige Nische, aber eine, die rasant
größer wurde. Denn schon 2007 – im Jahr vor dem Marktstart von Zalando – hatte
der Onlineumsatz in Deutschland laut bvh die Zehn-Milliarden-Schwelle
überschritten. Spätestens jetzt konnte eigentlich kein Händler
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