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Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
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Anzahl der Anrufe im Call Center in die Höhe. Und je näher wir dem Ende
des versprochenen Lieferzeitraums kommen, desto heftiger werden die Reaktionen
der Kunden. Das geht bis zu persönlichen Beschimpfungen und Beleidigungen der
Mitarbeiter. Wenn wir aber ein Problem haben, sei es, dass die Waren in der
gewünschten Größe oder Farbe nicht da ist oder eine PayPal-Überweisung fehlt,
und am dritten oder vierten Tag dem Kunden sagen: ›Es dauert leider noch ein
wenig‹ – dann ist das zumeist völlig in Ordnung. Dann steigt die Zahl der
Anrufe im Costumer Service nicht. Es ist also für den Onlinehändler extrem
wichtig, seine Versprechungen gegenüber dem Kunden wirklich einzuhalten. Sonst
gehen wegen der Nachfragen zunächst die Kosten pro Bestellung in die Höhe. Oder
der Kunde bestellt nie wieder bei Ihnen. Der nächste Onlineshop ist ja nur
einen Mouseklick entfernt.«
    Denn die Kundenloyalität ist im Internet zumeist sehr viel
geringer als im stationären Handel – mit dem Finger auf der Maus ist man ja
auch viel schneller im nächsten Laden als zu Fuß in der Stadt. »Früher ging der
Kunde häufig immer erst zu Karstadt oder erst zu P&C, und wenn er dort das
Teil nicht fand, besuchte er noch den nächsten Laden. Im Internethandel gibt es
diese Markenbindung weit weniger. Wer sie herstellen kann, gehört zu den
Gewinnern«, glaubt Stylefruits-Gründer Ingo Heinrich.
    Das virtuelle Laden-Hopping der jungen Kunden von heute wird
durch eine der bedeutendsten Innovationen der Online-Ära maßgeblich beschleunigt:
durch die totale Preistransparenz, gefolgt von der Bewertungskultur – oder
Unkultur, je nach Standpunkt. »Das ist eine zusätzliche, ganz neue
Herausforderung«, meint Herbert Hainer. Denn das gab es noch nie: Innerhalb von
Sekunden weiß der technisch gut ausgestattete Kunde – und das ist er inzwischen
bereits mit einem modernen Smartphone –, ob ein Onlinehändlern in den USA oder
in Island den favorisierten Laufschuh ein paar Prozent billiger anbietet als
beispielsweise adidas.com , runnerspoint.de , zalando.de oder der Schuhladen um die Ecke. Dessen Betreiber ärgert sich zusätzlich
besonders über Zalandos Preisvergleich-App: einfach den Code vom Karton
scannen, Vorgang starten und schon ist klar, ob der Artikel im alteingesessenen
Schuhhaus zwei Euro teurer ist als etwa bei Zalando. Die kostenlose Beratung
des Schuhhaus-Mitarbeiters bei der Auswahl des Modells nimmt der Kunde dankend
mit, die Bestellung und den Umsatz aber bekommt Zalando, ohne lästige
Aufwendungen für Beratung. Diese Preistransparenz knabbert an den Gewinnen
aller Händler, der Einzige, der sich freut, ist der Kunde. Für dieses Phänomen
gibt es inzwischen den Begriff des »Beratungsdiebstahls«.
    Und wenn sich der Kunde freut, äußert er das auch für alle Welt
sichtbar. Denn längst ist es auf jeder guten Seite üblich, dass Kunden das
Produkt oder den Service des Händlers bewerten. Und die Beurteilungen von
Produkten etwa auf Amazon haben enormen Einfluss auf die Kaufentscheidungen,
weil andere Kunden diese Kundenbewertungen für unabhängig halten. Jedenfalls
für deutlich unabhängiger oder objektiver als Empfehlungen von
Firmenvertretern. Ohne Höchstpunktzahl haben es Privatleute auf ebay schwer,
überhaupt etwas zu verkaufen. Die Bewertungskultur hat die Sphäre des Netzes
längst verlassen und sich auf den stationären Handel übertragen: »Bei uns
beschäftigen sich jeweils die Hälfte mit Erfahrungen im Onlineshop und solchen
im Laden. Die Kunden mögen es einfach, wenn sie sehen, dass wir auf Kritik oder
Anregungen reagieren«, heißt es bei Deichmann.
    Allerdings sind der Manipulationen bei solchen
Sternchen-Auszeichnungen Tür und Tor geöffnet – zu sehr, als dass man wegen
dieser Errungenschaft wirklich von einer Demokratisierung des Handels sprechen
könnte. Bestellte Belobigungen von Unbekannten lassen schnell die Punktzahl in
die Höhe schnellen. Deshalb haben die Bewertungen über die sozialen Netzwerke
eine solch große Bedeutung: Hier steht hinter den Meinungsäußerungen ein
Nutzer, ein Name, an den man sich später wieder wenden oder über den man
herziehen kann, wenn er Unsinn geschrieben hatte. Das ist sehr viel
glaubwürdiger als eine Empfehlung oder eine Warnung von Leuten wie »Raecher7«
oder »HeinzausHamburg« oder wie immer sie sich nennen mögen. Ähnlich, nämlich
mit dem Vertrauensvorschuss gegenüber einem Menschen, der für seine
Outfit-Beratung mit seinem richtigen Namen

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