Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
teure Designer-Mode erfolgreich im
Internet abzusetzen ist. mytheresa hat seinen Ursprung in einem Geschäft in der
Münchener Innenstadt.
Ansonsten sind die Beispiele von stationären Händlern, die sich
zu gut funktionierenden Hybriden entwickelt haben, eher rar gesät. Es ist wohl
tatsächlich ziemlich schwierig, in zwei Vertriebsformaten gleichzeitig sehr gut
zu sein. Vorne mit dabei ist seit Jahren schon die Outdoor-Kette Globetrotter.
Die Hamburger Marke legt sich in ihren Filialen vorbildlich ins Zeug: Wo kann
man schon Wildnesskleidung in der Kältekammer oder einen Regenschutz unter der
Dusche ausprobieren, in welchem Laden lässt sich sonst ein Kanu zu Wasser
lassen und testen? Bei Globetrotter geht das, viel mehr Event kann ein Laden
kaum bieten. Und doch haben sie auch hier das Problem des »Beratungs-Diebstahls«.
In der Globetrotter-Filiale probieren sie alles aus – und bestellen dann doch
bei einem anderen Händler Online, der sich die Beratungskosten gespart hat und
das Kanu deshalb um ein paar Euro billiger anbieten kann.
Auch der Multichannel-Kunde ist halt schrecklich untreu und tut
es mit jedem, der ihm in diesem Moment gerade attraktiver erscheint, und der
ist oftmals, wie Zalando oder Amazon, ausschließlich im Netz zu finden. Vor
allem lässt diese Kundenloyalität bei jenen Händlern zu wünschen übrig, die den
Mix der vielen bekannten Top-Marken im Regal haben, den sogenannten
Multilabel-Anbietern. »Nur etwa zehn Prozent der Stationär-Kunden eines
Multimarken-Händlers nutzen auch dessen Online-Shop«, heißt es in einer Studie
der Strategieberatung OC&C (Pressemitteilung, 12. März 2013) zum
Multichannel-Handel in Deutschland. Ihnen gelinge nicht, ihre Marktanteile aus
dem Ladengeschäft in den E-Commerce zu übertragen. Denn ihre Angebote sind
austauschbar; Marc O’ Polo, S. Oliver oder Tommy Hilfinger kennt der Kunde, er
kauft risikofrei einfach beim günstigsten Anbieter. Kein Wunder, dass es mit
der Kundentreue bei Anbietern mit weniger austauschbaren Produkten deutlich
besser aussieht. »Hier liegt der Anteil der Multichannel-Kunden bei etwa 25 Prozent.
Einigen Händlern gelingt es sogar, 40 Prozent der Kunden über beide Kanäle
hinweg zu binden«, sagt OC&C-Partner Gregor Enderle, dessen Team 2300
Verbraucher in Deutschland zum Thema befragt hatte. Er nennt als
Musterbeispiele Tchibo – denn Tchibo-Produkte gibt es nur bei Tchibo, die wird
kein Onlinehändler billiger anbieten. So entgehen die Tchibo-Produkte dem
Haifischbecken von Preistransparenz und Vergleichbarkeit. Sogenannte vertikale
Händler, die von der Planung über das Design bis zum Verkauf ihrer Produkte
alles selber machen, bekämen die Übertragung ihrer Umsatzanteile aus den
Ladenstraßen ins Netz ganz gut hin und seien ihrem »fairen Marktanteil« im Netz
schon nahe – im Gegensatz zu Karstadt oder Kaufhof, obwohl die
Warenhaus-Giganten schon seit über zehn Jahren im Netz vertreten sind. Ihre
Produkte gibt es halt überall.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der OC&C-Studie wird
deutlich, welche gewaltigen Umsatzchancen sich für Multichannel-Händler
ergeben, wenn es ihnen gelingt, ihre schon vorhandenen Kunden nur ab und zu vom
Fremdgehen abzuhalten. Immer mehr Anbieter versuchen das über auf das
individuelle Kaufverhalten des Konsumenten abgestimmte Angebote per E-Mail oder
SMS, per Gutscheine oder Bonuspunkt-Gutschrift, die man beim Online-Kauf sammelt
und im Laden einlösen kann oder umgekehrt. Berater Enderle sieht dennoch
reichlich Nachholbedarf im deutschsprachigen Raum: »Vielen Händlern fehlt es
noch an Verständnis für die Bedürfnisse des Multichannel-Kunden.«
Und jener Kunde will sich auf seinem Smartphone etwa anzeigen
lassen, ob ein Laden der gewünschten Kette in der Nähe ist, wie er dort
hinkommt, ob er gerade geöffnet hat und vor allem, ob der grau-rote Sneaker in
Größe 43 dort auch vorrätig ist.
Auch eine Studie der OC&C-Konkurrenz Accenture vertritt die
These, dass viele Multichannel-Hersteller nicht verstanden haben, worum es bei
der Verbindung der Ladenkette mit dem Onlineshop wirklich geht: Fast die Hälfte
der bei einer Konsumentenstudie befragten Kunden in Deutschland sagten, dass die
deutschen Händler an einem wesentlichen Punkt dringenden Nachholbedarf hätten:
Produktsortiment, Preise, Discounts und Werbeaktionen sollten bitte in allen
Vertriebskanälen dieselben sein. »Nahtlos« müsse das intermediale
Einkaufserlebnis sein, folgert daraus Accenture. Die befragten
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