Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
individualisierte Version von »Essen auf Rädern« jedoch noch ihren
Aufschwung nehmen. Hochwertige Fleischprodukte, Weine oder Whiskeys – wenn man
die denn zu den Lebensmitteln zählen möchte – haben Online bereits einen Markt.
Heute Online, morgen im Laden: Multichannel
Es gibt Händler, die nur klassische Läden betreiben, dazu
gehören zahllose kleinere und mittelgroße Modeanbieter. Und es gibt Händler,
die nur Online unterwegs sind, sogenannte Internet Pure Player. Wie Zalando
oder Amazon. Und dann sind da die Multichannel-Anbieter. Sie sind beides. Sie
verkaufen ihre Ware sowohl im Store auf der Einkaufsstraße als auch im eigenen
Onlineshop oder dem von dritten. Und sie bilden die große Mehrheit der
Fashionhändler. Zu ihnen gehören etwa Boss, Esprit, Zara, S. Oliver, Marc
O’Polo und andere mehr. Vieles spricht dafür, dass diesen
Sowohl-als-auch-Händlern die Zukunft gehören wird. Jedenfalls ein großer Teil
der Zukunft, weil sie von den Kunden besonders bequem zu erreichen sind. Dafür
sollte der Multichannel-Anbieter allerdings beide Disziplinen so gut
beherrschen wie jeder Spezialist, der sich nur auf eine dieser beiden
Handelsarten konzentriert. Schon das deutet an: Richtig guter
Multichannel-Handel ist richtig schwierig.
So schwierig, dass der »kreative Zerstörer« Oliver Samwer so
tut, als kenne er nicht einmal den richtigen Namen dieser Gattung:
»Crosschannel-Handel oder wie heißt das? Das kann man vergessen«, sagte er und
erklärte Multichannel zu einer Idee der Verzweifelten, denen nichts mehr einfalle
und nichts mehr helfen werde. Rocket oder Zalando betreiben kein Multichannel.
So kann es nicht verwundern, dass Zalandos Geschäftsführer Ritter derselben
Meinung ist wie sein Investor: »Multichannel ist nicht der Inbegriff für
Zukunft, das glaube ich einfach nicht. Es ist sehr, sehr schwierig, beide
Kanäle wirklich exzellent zu managen. Stationärer Handel und E-Commerce sind
sehr unterschiedlich. Es ist ein sehr radikaler Kulturwandel in einem
klassischen stationären Unternehmen notwendig, um daraus ein gut
funktionierendes Multichannel-Unternehmen zu machen. Mir fällt im Moment
niemand ein, der das wirklich schon gut gemacht hat.«
Mit ihrer ablehnenden Haltung allerdings steht die
Zalando-Clique ziemlich allein da in der Handelslandschaft. »Es ist mir völlig
unklar, warum Zalando bisher bestreitet, jemals Flagship-Stores in großen
Städten aufmachen zu wollen. Dort würde die Marke auf eine ganz neue Art
erlebbar werden, Zalando könnte zusätzliche Umsätze mitnehmen«, meint EHI-Mann
Hudetz, räumt allerdings ein: »Wenn sie das täten, wären sie ein Laden wie
jeder andere auch.« Gründer Robert Schneider stellt klar: »Wir haben keine
Konzeption für Zalando-Läden in der Schublade. So etwas ist nicht geplant, wir
sind und bleiben Onlinehändler. Dass wir in Berlin ein Outlet eröffnet haben,
bedeutet nicht, dass Zalando eine Multichannel-Strategie ausprobiert,«
(Gespräch 15.01.13, WamS)
Es wäre auch schwierig, die zahllosen Marken in einem Laden zu
präsentieren. Das Dementi bedeutet aber nicht, dass es nicht bald Läden von
Zalando-Eigenmarken wie Kiomi geben könnte, in denen die Produkte
emotionsgeladen präsentiert würden. Die Marke hat bereits eine eigene Webseite
unabhängig von der Hauptmarke Zalando. Das wäre dann zumindest eine
Multichannel-Strategie für Zalandos Eigenmarken.
Grundsätzlich allerdings stellt sich die Frage schon, ob und
wann es die großen Pure Player ernsthaft mit dem Laden- oder Showroombau
versuchen. Immer mal wieder gibt es Nachrichten über Tests von Branchengrößen
wie Amazon oder ebay, aber der ernsthafte Versuch, die führenden Positionen
auch auf die stationäre Handelswelt zu übertragen, steht noch aus.
Die Vorteile des gut gemachten Multichannel-Handels sind etwa
größere Wahlmöglichkeiten und mehr Flexibilität für die Kunden. Sie können sich
im Internet vor dem Ladenbesuch über das gesuchte Produkt informieren oder eine
Vorauswahl treffen. Oder die Reise des Kunden beginnt im Laden, wo er einen
interessanten Artikel sieht, sich aber erst auf dem Rückweg oder zu Hause zum
Kauf entschließen kann. Dann ordert er Online. Auch dann, wenn die passende
Farbe oder Größe im Laden nicht vorrätig war oder er den Anzug nicht
mitschleppen möchte. Immer mehr Händler haben in ihren Läden deshalb inzwischen
iPads, mit denen der Kunde selber oder die Bedienung gleich in der Filiale die
Produkte Online bestellt.
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