Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
gekommen ist«, lobt
Jochen Hiemeyer, Geschäftsführer des Bereichs Retail beim Beratungsunternehmen
Accenture. Doch er gibt zu bedenken: »Allerdings konnten sich die Gründer
dieses Tempo auch leisten, weil sie bisher für ihre Expansion immer genügend
Investoren gefunden haben, die ausreichend Finanzmittel zur Verfügung gestellt
haben.« Und das ist bekanntlich längst nicht bei allen Neugründungen der Fall.
Mit einem Teil dieses Geldes hat Zalando ein hervorragendes
Steuerungsmodell für seine Marketingausgaben entwickelt. Zum Beispiel beim
Werbespot: Noch während er über den Fernsehschirm läuft, beginnt die
Auswertung. Dienstleistungsunternehmen registrieren bis ins Kleinste, welche
Wirkung etwa das Filmchen mit der Zalando-Pipeline im Garten auf den Traffic
auf der Homepage hat: Steigt die Besucherzahl an? Für welche Produkte
interessieren sich die Besucher während oder in den Minuten nach dem Werbespot?
Schießt die Zahl der Bestellungen in die Höhe? Sofort kann man erkennen, ob der
Werbespot zu dieser Uhrzeit bei diesem Sender während dieser Sendung eine gute
Investition war oder ob die Investition umgeschichtet werden sollte. Der
Betreiber einer stationären Ladenkette hat niemals eine solch exakte Erfolgskontrolle
seiner Werbung.
»Wir messen und analysieren alle unsere Marketingmaßnahmen. Das
macht so kein anderer in Deutschland«, sagt Christian Meermann, der das
Zalando-Marketing maßgeblich mit aufgebaut hat. »Jeder Euro wird dreimal
umgedreht, bevor wir ihn ausgeben. Wir wollen genau wissen, wie viel Umsatz wir
mit 1 000 Euro Marketingausgaben zusätzlich erzielt haben, etwa durch einen
Werbespot. Das kann man im E-Commerce mit speziellen Tools besonders schnell
und genau messen.« Oder – nach Art des Hauses Zalando – noch direkter
ausgedrückt: »Jede Marketingaktion muss zu Visits und zu zusätzlichen Verkäufen
führen.«
Vor das Auswerten hat Zalando allerdings das Ausprobieren
gesetzt: »Wir testen alles«, sagt Meermann. »Es gibt eigentlich kein Werkzeug,
das wir vor dem Einsatz nicht ausprobiert hätten. So haben wir zum Beispiel
Radiowerbung in Frankreich versucht. Aber als wir nach drei Tagen merkten, dass
diese nicht funktioniert und keinen Effekt hat, haben wir es schnell wieder
gelassen.« Durch das Ausprobieren von immer neuen Ideen sind sie bei Zalando
sogar zu der überraschenden Erkenntnis gekommen, dass sich ein Schuh besser
verkauft, wenn seine Spitze nach links zeigt. Ist sie dagegen nach rechts
ausgerichtet, klickt der Kunde seltener.
Auch Geschäftsführer und Finanzmann Rubin Ritter ist ein großer
Freund des Testens, wenn es um die Unternehmensentwicklung geht: »Diese
Versuche kann man auch im Kleinen machen, ohne große Kosten. Und wenn es nicht
klappt, probiert man eben etwas anderes, bis die beste Lösung gefunden ist. Wir
gehen keine riskanten Wetten ein. Eine einsame Entscheidung, mit der die
Existenz der Firma aufs Spiel gesetzen würde, wird es bei uns nicht geben. In
dieser Hinsicht sind wir sehr vorsichtig und konservativ.«
Dennoch sind die Marketingkosten nach allgemeiner Überzeugung
in der Branche bei Zalando deutlich höher als bei Konkurrenten. Das Unternehmen
erkaufe sich für viel Geld Umsatz und Kunden. Darin sehen Kritiker ein Indiz
dafür, dass es gar nicht darum gehe, ein langfristig tragfähiges
Geschäftsmodell aufzubauen. Hoher Werbeeinsatz, so die Argumentation, brächte
hohe Umsatzsteigerungen und die führten dann schließlich zu einem hohen
Verkaufspreis, den die Investoren bei ihrem Ausstieg bekämen. Und genau auf
einen solchen Exit der Geldgeber mit möglichst hohem Gewinn liefe die ganze
Konstruktion Zalando hinaus. Folglich würden die Marketinginvestitionen pro
Kunde ganz allein für das Ziel eingesetzt, möglichst schnell den Verkaufspreis
des Unternehmens zu steigern und nicht, wie offiziell behauptet, um den Umsatz
und den Gewinn zu erschließen, den Zalando mutmaßlich mit dem neuen Kunden für
den Rest seines Lebens erzielen kann.
Inzwischen fährt Zalando seinen Etat für Fernsehspots leicht
zurück. Denn die Marke hat einen extrem hohen Bekanntheitsgrad erreicht: 95
Prozent der Deutschen sagen bei Umfragen, sie hätten den Namen Zalando schon
einmal gehört. »Wir steuern den Einsatz der TV-Werbung jetzt noch intelligenter
und flexibler: Zu den Modesaisons im Mai und Juni sowie im Herbst zeigen wir
mehr Fernsehspots, in der Zeit dazwischen fahren wir den Einsatz etwas zurück«,
sagt Meermann.
Bei
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