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Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern

Titel: Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Seidel
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durch
die Millionen von Pappkartons für die Ware. Die allerdings schränken
wahrscheinlich auf der anderen Seite den Einsatz der ökologisch auch nicht
gerade unbedenklichen Plastiktüten der Händler in der Stadt oder in den
Einkaufszentren ein. Die Öko-Bilanz des Onlinebooms ist also noch nicht
geschrieben. Sollte sie aber.
    4
 
Die Verkaufsmaschine
Oder:
Wie Zalando funktioniert
     
    Die Psychologie des Erfolgs
    Auf den ersten Blick sind diese Werbespots von Zalando
entweder lustig, skurril oder vollkommen daneben, je nach Verständnis des
Betrachters: den verängstigen Typen im Schuhschrank oder die Rainer Langhans-Imitation,
die in der Wohngemeinschaft vor diesem neuen, kapitalistischen Schuhversender
warnt, oder die nackten Mädels auf dem Campingplatz, die angesichts des
Eintreffens des Paketboten und der Schuhbestellung hysterisch vor Glück
schreien, das kann niemand wirklich ernst nehmen.
    Und doch begann die eigentliche Erfolgsgeschichte Zalandos in
der Breite des Marktes mit der Ausstrahlung des ersten dieser schrägen
Werbespots. Und noch heute schnellt die Zahl der Besucher und dann auch die der
Bestellungen auf den Zalando-Seiten in die Höhe, wenn einer dieser Spots im
Fernsehen läuft, egal in welchem Land. Also muss doch etwas dran sein an dem
ganzen Blödsinn. Irgendeinen Schalter im Kundenhirn scheint diese Art der
Reklame zu treffen und umzulegen. Tatsächlich setzen diese so locker
hingeworfen wirkenden Spots eine hochrationale und ebenso rationelle
Verkaufsmaschine in Gang, die eines der wesentlichen Erfolgskriterien für
Zalando darstellt.
    »Genial gelungen« findet denn auch Stephan Grünewald, der wohl
bekannteste Konsumpsychologe in Deutschland, die Spots. »Dadurch, dass diese
Freude vollkommen überzogen dargestellt ist, kann man drüber lachen. Und zwar
ohne sich ertappt zu fühlen, darauf reinzufallen«, erklärt der Mitgründer des
renommierten Marktforschungsinstituts Rheingold in Köln. Die
Rheingold-Psychologen interviewen im Auftrag von Unternehmen jedes Jahr
Tausende Verbraucher, um herauszufinden, welche Art von Werbung oder
Selbstdarstellung eines Herstellers oder Händlers die Konsumenten zum Kaufen bewegt.
Für Zalando hat das Institut bisher nicht gearbeitet.
    Grünewald konstatiert, dass bei aller Übertreibung das
Glücksgefühl angesichts der Lieferung des vor einigen Tagen bestellten Schuhs
oder des Tops oder des Rocks durchaus treffend dargestellt ist. Und genau
dieses Glücksgefühl der Mädchen im Spot möchte die Zuschauerin, zunehmend auch
der Zuschauer, aus der Zalando-Zielgruppe ebenfalls erleben. Wenn das
tatsächlich so ist, dann hat der Spot funktioniert.
    Bei der Erklärung, warum das so ist, wird es richtig
psychologisch. Und wie so oft in dieser Wissenschaft werden die Erklärungen in
der Kindheit gesucht: »Es ist tatsächlich ein bisschen wie Weihnachten. Und der
Fahrer von DHL ist der moderne Nikolaus, der manchmal wöchentlich oder sogar
noch öfter Geschenke bringt. Und das Auspacken ist dann wie Bescherung«,
erklärt Grünewald den Zalando-Effekt. Heiligabend 2.0 für Erwachsene sozusagen,
Bescherungsnervosität reloaded. Zalandos Werbeagentur Jung von Matt spielte
beim Weihnachtsspot 2012 mit genau diesem Bild: Der junge, schlanke
Zalando-Bote stach, auf dem Dach eines weihnachtlich geschmückten Hauses
stehend, den dicken, alten Weihnachtsmann nach kurzer Diskussion der beiden
Herren um die Zuständigkeit für die Paketübergabe einfach aus. Der Zalando-Bote
schwang sich als erster den Kamin herunter, um die Geschenke abzuliefern. Der
Generationenwechsel im Bescherungsmanagement war vollzogen. Jetzt hieß es:
Online statt oller Mann mit Bart, Zalando statt Santa!
    Onlinehändler wie Zalando schaffen es nach Ansicht von
Psychologe Grünewald auch außerhalb der Weihnachtssaison, das Auspacken der
Bestellung »zu einem Prozess von ganz eigener Sinnlichkeit zu machen, mit einer
eigenen Spannung und einem Hauch Überraschung«. Überraschung? Die Kundin sollte
doch wissen, was drin ist im Paket, sie hat es schließlich selber bestellt. Für
dieses Phänomen hat der Psychologe eine überraschende Erklärung: bewusstes
Vergessen. »Um die kindliche Freude und das Überraschungsmoment wie einst zu
Weihnachten auch im Erwachsenenalter immer wieder zu erleben, denken vor allem
Frauen zwar daran, dass sie etwas bestellt haben, aber nicht mehr genau an den
Artikel. Studien haben gezeigt, dass Frauen manchmal schon nach einer Stunde
nicht mehr auf Anhieb

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