Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
Denn ein potenzieller Kunde, der aus technischen Gründen nicht
auf die Seite kommt, ist in vielen Fällen anschließend ein verlorener Kunde.
Hätten die vielen skeptischen klassischen Händler wegen der
hohen Retourenquote für Zalando nicht schon die Daumen nach unten gedreht,
würden sie wegen einer anderen betriebswirtschaftlich scheinbar irrsinnigen
Eigenart des Berliner Unternehmens die Hände über dem Kopf zusammenschlagen:
Denn bei Zalando können die Kunden ihre Ware noch 100 Tage nach der Lieferung
zurücksenden. Gerade bei Saisonware sei das fatal, etwa nach dem langen Winter
2013. »Wenn die Kundin Ende März ihren Schuh oder das Top für den Frühling
bekommen hat und ihn drei Monate später zurückschickt – ja, glauben Sie etwa,
dass Zalando diese Ware noch einmal zum vollen Preis an einen anderen Kunden
verkaufen kann?«, fragt ein Onlinehändler. Grundsätzlich gelte: Je länger ein
Produkt auf der Reise vom Logistikstandort zum Dann-doch-nicht-Kunden und
wieder zurück zum Logistikstandort unterwegs gewesen sei, desto schwerer sei es
noch zum vollen Preis zu verkaufen. »Da sind wenige Tage Unterschied schon
entscheidend. Wenn es zu lange dauert, kann die Ware angesichts der schnellen
Wechsel der Modethemen nur noch mit Rabatt und somit geminderter Rendite
verkaufen werden«, sagt ein Onlinemanager eines anderen Händlers.
Sollte das etwa der Grund dafür sein, dass »Sale«-Aktionen
inzwischen auch bei Zalando ganz normal geworden sind? Nein, heißt es im
Unternehmen: Im Sale gingen nur etwa zwölf Prozent der Produkte weg, angeblich
weniger als die 20 Prozent des Branchenschnitts. Auch Zalandos langjähriger
Marketing-Mann Meermann versteht die Aufregung um die 100-Tage-Garantie nicht:
»Tatsächlich kommen 90 Prozent der Retouren ja innerhalb eines Monats zurück.«
Andere Online-Experten betrachten diese Aussage als glaubhaft.
Jürgen Michelberger von Esprit und Ingo Heinrich, Chef und Gründer des Münchner
Social Commerce-Portals stylefruits etwa halten die 100 Tage Rückgabefrist
ohnehin vor allem für ein »Marketinginstrument« mit überschaubaren Folgen: »Im
Online-Modehandel hat man die Retouren spätestens vier Wochen nach der
Auslieferung wieder im Hause, oft schon nach 14 Tagen. Alles andere sind
Ausnahmen«, sagt Heinrich. Sein Unternehmen bietet den Userinnen die
Möglichkeit, aus Tausenden Artikeln der verschiedensten Hersteller passende
Outfits zu kombinieren. Die werden dann auf der Seite hoch- geladen, andere
Userinnen können darüber diskutieren. Und sie können die Teile
selbstverständlich per Mouseklick bestellen. Für jeden Klick zu einem
Onlineshop bekommt das Unternehmen eine Vergütung – auch von Zalando.
Und was sagt die Konkurrenz, die angeblich mit einer
Retourenquote von 30 oder noch weniger Prozent auskommt, zur Frage, ob man Geld
verdienen kann, wenn einem die Kunden jedes zweite Stück unbezahlt wieder
zurückschicken? Welche Retourenquote kann man noch als langfristige Investition
zur Kundenbindung akzeptieren, ab wann wird es ruinös?
»Mit 50 Prozent Retourenquote dauerhaft Gewinn erzielen zu
wollen, ist zumindest sehr ehrgeizig«, sagt Deichmanns Onlineexperte Hackel.
Genauer will er sich nicht äußern, weil er die Details von Zalando nicht kenne.
»Über 50 Prozent wird es schwierig«, meint auch Bruno Sälzer, Chef der
Damen-Luxusmarke Escada, die im Frühjahr 2013 ihren eigenen Webshop gestartet
hat. »Um stabil in die Gewinnzone zu kommen, müssen sie Ihre Retourenquote
eigentlich auf maximal 40 Prozent reduzieren. Das ist ziemlich sportlich.«
Ähnlich sieht es der Mann vom anderen Ende der Preisskala: »Zalando sollte die
Stückkosten herunterbekommen«, sagt C&A-Geschäftsführer Rothberger. Kay
Hafner, lange Zeit Top-Manager im Handel und jetzt Unternehmensberater, wird
noch deutlicher: »Retourenquote von 50 Prozent ist definitiv zu hoch. Ziel von
Zalando muss es sein, die Quote auf 30 Prozent abzusenken«, sagt Hafner.
Zalando-Geschäftspartner Heinrich hält die Retouren-Diskussion
für vollkommen überbewertet: »Das hat es doch immer gegeben: Lange vor dem
Internet hatten die klassischen Katalog-Versender wie Quelle bei Jeans oder
Eventbekleidung Retourenquoten von 70 oder 80 Prozent. Das war vollkommen
normal.« Das bestätigt Kai Hudetz, der als Moderator oder Referent auf den
meisten im deutschen Raum stattfindenden E-Commerce-Kongressen aufritt: »Damals
hat nur kaum jemand außerhalb der Branche darüber geredet.« Er relativiert
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