Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
und
möglicherweise schnell wieder zu korrigieren. Wir probieren einfach aus, ob der
Kunde bei diesem oder jenem Detail die Version A oder die Version B besser
gefällt, zum Beispiel bei der Farbe und Größe der Buttons. Der Wochenrhythmus
bietet zudem viel Flexibilität, wir können uns sehr schnell neuen Gegebenheiten
anpassen. Der Markt entwickelt sich sehr schnell.« Viele Onlinehändler
leisteten sich die Wochen-Updates nicht. Dabei senkten die regelmäßigen
überschaubaren Updates doch das Risiko gegenüber Komplett-Überarbeitungen. Die
Politik der kleinen Schritte und der unzähligen Praxistests statt des einen Big
Bang ist typisch für Zalando. So haben sie es immer gemacht.
Die kleinen Teams, in die Lange seine Truppe eingeteilt
hat, bestehen immer aus einem Produkt-Manager, einem Softwareentwickler und
einem Testmanager. 300 Mitarbeiter sind dafür zuständig, dass der Warenautomat
Zalando Tag und Nacht läuft. »Wir könnten noch mehr Leute gebrauchen, aber wir
haben einen gewissen Qualitätsanspruch.« In 20 kleinere, flexible Teams ist die
Abteilung untergliedert, die jeweils für Themen zuständig sind wie Payment,
Qualitätssicherung, Order, Planung oder Einkauf. »Die Teams arbeiten sehr
autonom. Wie eigene, kleine Start-ups.« Auch das ist wieder typisch für den
Zalando-Konzern, der für fast jede neue Aufgabe gern ein neues Team bildet. Und
dann, wenn die Aufgaben zu umfangreich werden, lieber zwei oder drei daraus
macht. So sollen das Tempo und der unternehmerische Geist aufrechterhalten
werden. Äußerlich locker geht es auch hier zu: Der bärtige Cheftechniker, ohne
dessen Systeme Zalando kein Milliarden-Umsatz-Unternehmen wäre, trägt zum
T-Shirt kurze Hosen.
Christoph Langes Team hat auch die App für Smartphones mit
dem QR-Code-Scanner entwickelt, über die sich viele stationäre Schuhhändler so
sehr ärgern: »Die App fürs iPhone ist schon mehr als eine halbe Million Mal
downgeloaded worden. Und die Android-Version in den ersten drei Wochen gleich
70 000 Mal, ohne dass wir besonders darauf hingewiesen hatten.«
Big Data
Dass die Abläufe bei Zalando zumeist so gut funktionieren,
hat nicht zuletzt mit jener Zahlengläubigkeit, ja Zahlenverliebtheit der Macher
zu tun. Dafür wird das Unternehmen bisweilen belächelt, schließlich habe das
Fashion-Business doch auch eine ganze Menge mit Bauchgefühl zu tun und könne
nicht ausschließlich über kalte Daten gesteuert werden. Mancher Modemann
spricht gar abfällig von »Methoden aus dem Investmentbanking« bei Zalando. Das
jedoch lässt die Investment-Modehändler kalt: »Viele andere Händler oder
Hersteller wären wahrscheinlich froh, wenn sie unsere Daten hätten«, entgegnet
Schneider.
Pro Tag besuchen nach Angaben der Geschäftsführer Mitte 2013
rund drei Millionen User europaweit Zalando. Im Schnitt tummeln sie sich dabei
auf zwölf bis 13 Seiten des Onlinehändlers. Bei jedem Besuch kommen so Unmengen
neuer Daten hinzu, die den Experten unter anderem verraten, welche Marken,
Modelle, Styles oder Passformen in welchen Größen und Farben, zu welchen
Preisen und in welchen Kombinationen welche Kunden, welchen Alters und mit
welcher Zalando-Historie zu welcher Uhrzeit anschauen – und welche sie davon
schließlich auch bestellen und bezahlen, welche sie behalten und welche sie
zurückschicken. Und diese Punkte waren nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was
Zalando über Kunden erfährt, die nur für ein paar Minuten im elektronischen
Katalog blättern. Richtig ausgewertet kann diese Datenflut einem Händler
wertvolle Schlüssel in die Hand geben, um sich Einlass zur
»Das-will-ich-haben-Region« des Kundenhirns zu verschaffen. Weil die kalten
Zahlen verraten, wie der Beutetrieb jedes einzelnen Nutzers im Onlinedschungel
funktioniert. Und wenn man das weiß, steigt die Chance, ihm tatsächlich das
empfohlene Produkt zu verkaufen. Die Gefahr, bei den Herstellern potenzielle
Ladenhüter einzukaufen, die in den Zalando-Lagern nur Platz wegnehmen, aber
kein Geld bringen, sinkt bei cleverer Nutzung dieses riesigen Daten-Reservoires
über das Verhalten von Kunden. Und das verbessert die Wirtschaftlichkeit des
Unternehmens.
Eine solche, in jeder Sekunde aktualisierte Bank mit Daten von
Millionen Kunden auf 1500 Marken und 150 000 Produkte bezogen, besitzen nicht
viele Händler, Hersteller oder Marktforscher auf der Welt. Diese Datenbank
gehört zum Wertvollsten, was Zalando besitzt. Den Wert erkennen wohl auch Markenhersteller
an, deren
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