Schreien staerkt die Lungen
0,5 Grad.
70 Die Temperatur misst man am besten im Ohr
Als mein Bruder im Krankenhaus lag, kam die Krankenschwester mit dem Ohrthermometer. »38,5? Kann nicht sein!« Noch einmal gemessen: »37,4? Nehmen wir!« Die populären Ohrthermometer sind sehr ungenau …
Wer die genaue Zahl wissen will, muss im Po messen, da hilft alles nichts. Das kann mitunter zu heftigen Nahkämpfen mit dem eigenen Kind führen, das ungern einen Fremdkörper im After haben will und dabei auch noch ruhig liegen soll. Verständlich, dass die in der Handhabung praktischen Ohrthermometer reißenden Absatz finden. Vom Prinzip her sind sie auch gar nicht so schlecht, wenn Sie bei der Messung genau auf das Trommelfell zielen. Und genau das ist das Problem: Schon für mich als Arzt ist es oft sehr schwierig, bei einem Baby oder Kleinkind das Trommelfell mit dem Ohrenspiegel gut zu sehen. Da ist es für Eltern quasi unmöglich, mit dem Ohrthermometer genau zu »treffen«. Zusätzliche Barrieren sind Ohrenschmalz oder Flüssigkeit hinter dem Trommelfell im Mittelohr, ein sogenannter Paukenerguss (siehe > ). Und der ist bei Schnupfen bei Kleinkindern fast immer vorhanden, auch wenn Sie ihn von außen nicht sehen können.
Entweder werden Eltern also durch die Messung mit dem Ohrthermometer in falscher Sicherheit gewiegt, oder sie überschätzen die Schwere des Infektes. Ein Forscherteam der Universität Liverpool hat Untersuchungen ausgewertet, in denen bei rund 4500 Kindern die im Po gemessene Körpertemperatur verglichen wurde mit dem Wert, den das Ohrthermometer anzeigte. Es zeigte sich eine HOHE SCHWANKUNGSBREITE . In Einzelfällen lag die im Ohr gemessene Temperatur um ein Grad über oder unter der im Rektum gemessenen Temperatur. Eine andere Studie aus Boston ergab, dass bei jedem vierten Kind mit hohem Fieber das Ohrthermometer eine normale Temperatur gemessen hatte.
Auch die Messung unter der Zunge oder unter dem Arm ist sehr ungenau, zeigt immer zu niedrige Werte an und ist daher nicht zu empfehlen.
Das Fiebermessen im Po wird leichter durch etwas Fettcreme an der Spitze des Thermometers. Bei den modernen Digitalthermometern reicht es aus, die kurze silberne Spitze in den After einzuführen; die Messung geht auch damit verhältnismäßig schnell.
Aber müssen wir wirklich immerfort die Temperatur messen? Und was folgern wir dann aus dem Ergebnis? Beobachten Sie lieber Ihr Kind: Leidet es und fühlt sich seine Haut sehr warm an, geben Sie ihm etwas gegen Fieber, egal wie hoch dieses ist (siehe ab > ). Geht es ihm gut, geben Sie nichts, auch wenn Ihr Kind Fieber hat. Nur wenn Sie nicht sicher sind, wie schwer der Infekt ist oder ob Ihr Kind wirklich Fieber hat, MESSEN SIE EINMAL die Temperatur. Das kann sinnvoll sein, um den Verlauf zu beurteilen und um zu entscheiden, ob ein Kind fieberfrei ist und wieder in den Kindergarten gehen kann. Oder um zu sehen, ob es nach mehr als drei Tagen noch fiebert, um dann zum Kinderarzt zu gehen. Reißen Sie aber nicht zum Messen Ihr Kind aus dem Schlaf, den es zu seiner Genesung dringend braucht!
71 Halsentzündung ist Scharlach
Aufgeregt kommt die Mutter der kleinen Marlene montags in meine Sprechstunde. »Der Arzt im Notdienst hat am Wochenende einen Abstrich gemacht und gesagt, dass Marlene Scharlach hat. Dabei hatte sie doch nur Halsweh!«
Manche kinderärztlichen Kollegen nennen bei entzündetem Hals und bei im Rachenabstrich nachgewiesenen Streptokokken das Krankheitsbild »Scharlach«, auch ohne dass Ausschlag oder hohes Fieber dabei sind. Streng genommen ist es dann aber nur eine Streptokokken-Angina oder Mandelentzündung. Heutzutage ist bekannt, dass bis zu 20 Prozent aller – auch gesunder – Kinder Streptokokken im Hals haben. Ich behandele diese Kinder aber nur dann mit Penicillin, wenn sie richtig krank sind und ALLE SYMPTOME auf Scharlach hindeuten (siehe unten). Dann brauche ich auch keinen Abstrich. Das Wort »Scharlach« nehme ich höchst selten in den Mund.
Unter den Kinderkrankheiten ist Scharlach besonders gefürchtet. Nicht nur, dass dann mit dem Antibiotikum Penicillin behandelt wird, jeder hat auch von den gefürchteten Komplikationen wie Nierenentzündung (Nephritis) oder Herzmuskelentzündung (Endokarditis) gehört.
Früher waren Kinderärzte recht großzügig mit dem Penicillin, weil sie diese Komplikationen bei einer Scharlacherkrankung tatsächlich oft sahen. Es wurden zeitweise sogar routinemäßig Urinkontrollen oder Herzultraschalluntersuchungen gemacht.
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