Schritte im Schatten (German Edition)
Frauen von Harrys weißen Kollegen hatte sie nichts gemeinsam und auch nicht mit den schwarzen Frauen seiner schwarzen Geschäftspartner. Es gab Ärzte und Missionare und Lehrer, aber: »Ich kann Leute, die Gutes tun, sowieso nicht ausstehen«, sagt sie, poliert die perfekten Nägel, inspiziert ihre perfekte blasse Haut, die nie auch nur mit einem Strahl der nigerianischen Sonne in Berührung gekommen war.
Ihr Leben gefiel ihr, aber dann hatte sie sich diese Infektion geholt und hatte ständig Durchfall und konnte es kaum abwarten, dass das Institut für Tropenkrankheiten sie kurierte, weil sie wieder nach Hause wollte.
Mit jeder Post kamen Briefe von Harry. Leidenschaftliche Briefe.
»Er vermisst mich«, bemerkte sie, beim Lesen errötend. »Er ist völlig verrückt nach Sex. Das sage ich ihm immer wieder. ›Du hast einfach eine zu große Libido. Das ist nicht gut für dich in dieser Hitze.‹ Aber er hört nicht auf mich. Er würde es dreimal am Tag tun, wenn er könnte. Manchmal ist er um die Lunchzeit heimgekommen, aber nicht, um zu essen. Er sagt: ›Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, komm mit ins Bett.‹ Aber die Temperatur ist über vierzig Grad. ›Liebst du mich nicht?‹ fragt er. Er bettelt, und ich gebe nach, weil ich nicht mit ansehen kann, wie ein Mann bettelt wie ein Hund. All dieser Schweiß, die klatschnassen Laken, und dann muss ich mich schnell umziehen, weil ich nicht will, dass die Dienstboten Bescheid wissen.«
Sie sagte dies zu ihm: »Hör zu, mein Lieber, besorg dir ein Mädchen für den Sex; ich habe nichts dagegen.« Er begann zu weinen und sagte: »Du liebst mich nicht.« Sie sagte zu ihm: »Ein Mann wie du sollte zwei Frauen haben. Es ist nicht deine Schuld. Du hast einfach zu viel.«
»Er war so außer sich«, sagte sie, und ihre gelassenen blauen Augen verschleierten sich kurz. »Mir war klar, dass ich das nie wieder sagen durfte. Aber ich möchte wissen, was dagegen einzuwenden ist. Ein Mädchen für den Sex und mich für alles andere. Weil ich ihn nämlich wirklich gernhabe; sonst hätte ich ihn nicht geheiratet.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn er ein nigerianisches Mädchen hätte?«
»Ein schwarzes Mädchen? Mir wäre es lieber, wenn es ein weißes wäre, aber mich würde es nicht stören. Ich mag die Schwarzen dort. Ich mag das Essen. Das Einzige, was ich nicht mag, ist der Lärm. Die Schwarzen machen eine Unmenge Lärm. Aber es ist ihr Land.«
»Wofür geben Sie Ihr ganzes Geld aus?«
»Ich habe wunderschöne Kleider. Ich trage sie abends für ihn. Das gefällt ihm. Ich habe sogar ein Kleid von Dior. Aber sonst haben wir keine Möglichkeit, das Geld auszugeben. Das meiste davon schickt er seiner Familie in Griechenland. Ich mag Leute, die sich um ihre Familie kümmern. Ich kann keine Kinder haben. Ich hatte damit gerechnet, Kinder zu bekommen, aber es ist nichts passiert, und ich habe ihn gefragt: ›Macht es dir etwas aus?‹ Und er hat gesagt, nein, alles, was er auf der Welt wolle, sei ich, und wenn wir Kinder bekämen, hätte ich keine Zeit mehr für ihn.« Sie sitzt da und trägt Tagescreme auf ihre hübsche Haut auf, hebt ihr malvenfarbenes Satin-Nachthemd an, um ihren Hals und ihren Brustansatz einzucremen. »Man muss die Dinge nehmen, wie sie sind«, sagt sie ernst und seufzt.
Ich bekomme ziemlich viel Besuch, und Ada liegt da, liest und hört zu, wie wir uns unterhalten.
»Ich mag Unterhaltungen«, sagt sie. »Sie haben interessante Freunde. Sie sind ein wirklicher Bohemien. Haben Sie das gewusst?«
»Das hat man mir schon öfter gesagt«, erwidere ich, »aber nur in Afrika. Und wie würden Sie einen Bohemien definieren?«
Sie denkt ernsthaft darüber nach. »Nun, ich bin keiner. Harry ist auch keiner. Seine Familie nicht. Meine Familie auch nicht. Aber Sie sind einer. Ihre Freunde sind es. Ihr habt einfach Spaß daran, anders zu sein«, verkündet sie. Sie dreht sich um. »Und nun will ich ein bisschen schlafen. Lassen Sie nicht zu, dass die Schwestern mich wecken. Zu Hause bekomme ich nie viel Schlaf, weil Harry es nicht zulässt. Wissen Sie was? Manchmal wache ich auf, und da ist er, beugt sich über mich und weint. Er sagt, ich bin so schön, dass er einfach weinen muss. Ich sage zu ihm: ›Wenn du das oft genug sagst, fange ich an, es zu glauben.‹«
Habe ich je Bilharziose gehabt? Das werde ich wohl nie erfahren.
Diese kleinen medizinischen Reminiszenzen sind Beweis für eine ziemlich pathologisch wirkende Passivität unter
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