Schritte im Schatten (German Edition)
nicht mitmachen? »Das ist abscheulich«, verkündet sie.
»Wir Eltern haben unsere Rechte«, bemerkt Peter friedlich.
»Ich komme mit ins Bett«, sagt die Tochter.
»Dann musst du auch alle anderen holen«, sagt Anne. »Sonst ist es Bevorzugung.«
Das Mädchen stöhnt laut auf und rennt davon. »Ich
hasse
euch.«
Theatralisches Gelächter aus allen Ecken des Hauses. »Oh, sie sind wirklich
fürchterlich
!«
In dieser Familie schienen die unerfreulichen Aspekte des Heranwachsens mühelos in reizvolle und selbstbewusste Theatralik umgewandelt zu sein.
Manchmal sitze ich da und denke über die ganz besonders guten und netten Leute nach, die ich gekannt habe, eine Methode, mich in schlechten Zeiten in eine bessere Stimmung zu versetzen, und David Piper – Peter – ist immer dabei. Er war still, ironisch und ein Beobachter, sodass er auf den ersten Blick nicht bemerkenswert schien. Er starb viel zu jung, vermutlich deshalb, weil er ein paar Jahre in einem japanischen Gefangenenlager verbracht hatte, was nie ein Rezept für ein langes und gesundes Leben sein konnte. Zu der Zeit, als ich ihn kannte, war er Direktor der »National Portrait Gallery«.
Beim Schreiben dieser Memoiren habe ich eine Menge über die kleinen Streiche gelernt, die einem das Gedächtnis spielt, vor allem, wie es vereinfacht, bereinigt, scharfe Kontraste aus Licht und Schatten schafft. Es kann einfach nicht wahr sein, dass die vier Jahre in der Warwick Road so schlimm waren, wie ich sie in Erinnerung habe, ebenso wenig, wie es sein kann, dass in der Langham Street alles nur aus Kommen und Gehen und erfreulichen Begegnungen bestand. Und trotzdem, das langsame Durchleben der fünfziger Jahre war für mich wirklich so etwas wie das Herauskriechen aus einer Grube.
Ich blicke zurück auf Szenen in meiner Wohnung, meiner kleinen, hässlichen Wohnung, angefüllt mit Menschen. Ich bereitete extravagante Mahlzeiten zu, weil es mir Spaß machte. Die Gesichter sind mir im Gedächtnis geblieben, aber leider nicht die Namen. Und was für eine Mischung von Menschen, und noch dazu solche jedes Alters, denn da waren Peters Freunde und die Kinder von Freunden. Ich habe immer alle Bekannten und sogar Leute, die ich nur flüchtig kannte, zu meinen Partys eingeladen, und es pflegte stets zu funktionieren. Manchmal gab es hitzige Diskussionen, und dann: Wie
können
Sie diesen faschistischen/kommunistischen/neurotischen/psychopathischen Idioten kennen? Aber nicht oft.
Bei einer Party – aber jetzt eilen wir voraus in das Haus in der Charrington Street und zu einer großen Versammlung von ungefähr dreißig Leuten zum Lunch – durchquerten zwei Frauen nebeneinander das Zimmer, um zu sagen: »Ist Ihnen klar, wie ungewöhnlich es für uns ist, zu erleben, dass eine Frau das tut?«
»Was tut? Ich verstehe nicht.« Eine Frau aus New York, die andere aus Moskau, und sie hatten miteinander beratschlagt.
»In New York veranstaltet man keine Partys, wenn man eine alleinstehende Frau ist, man wartet darauf, von verheirateten Freunden eingeladen zu werden. Man geht in eine Art ›Purdah‹, bis man einen Mann gefunden hat.«
»Und bei uns würde keine Frau ohne einen Mann es wagen, eine solche Party zu veranstalten.«
Ich war nie auf den Gedanken gekommen, dass ich etwas Ungewöhnliches tat, und musste mich auf ihr Wort verlassen. Aber mir kamen zwei Gedanken, von denen der eine alles andere als neu war: Wenn man etwas tut, dann akzeptieren es die Leute, ob es in der Gesellschaft Brauch ist oder nicht. Der andere Gedanke war der, dass wir alle New York für den Gipfel gesellschaftlicher Weltläufigkeit hielten und Moskau doch eigentlich von allen derartigen Mittelschichttabus frei sein müsste. Die feministische Revolution würde bald ausbrechen, und dann würde es doch – bestimmt? – selbstverständlich sein, dass eine alleinstehende Frau eine Party geben und einladen durfte, wen sie wollte.
Eine Szene: Eines Abends, ziemlich spät, erschien Lindsay Anderson mit einer Gruppe von Schauspielern vom Royal Court in meiner Wohnung; einer davon war Robert Shaw, der in Kürze Mary Ure heiraten sollte, die gerade von John Osborne abserviert worden war. Ich war Robert Shaw bis dahin noch nie begegnet, aber er erzählte mir sofort, als setzte er eine Unterhaltung fort, die wir miteinander gehabt hatten, dass er mit Soundso schlafe und dass das dem Sex mit seiner Frau sehr zuträglich sei; Ehefrauen sollten nie etwas dagegen haben, dass ihre Männer mit
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