Schritte im Schatten (German Edition)
seine Frau staubsaugte; er bewegte seine Beine in diese und jene Richtung, um dem Gerät zu entgehen, und sagte: »Französische Aristokraten, im Grunde sind sie Bauern, ist es nicht so, mein Liebling?«, und sie sagte: »Dein Glück, dass ich es bin, und wenn noch mehr von deinen betrunkenen Freunden vor der Tür stehen, dann lasse ich sie nicht herein.« Daraufhin schwang er seine langen, dünnen Beine auf den Fußboden und sagte: »Kommt, wir gehen Behan besuchen.« Ein paar Straßen entfernt lebte Brendan Behan, der Dramatiker. Es war ungefähr zehn Uhr morgens. Brendan war nüchtern, als wir ankamen. Wir saßen da und unterhielten uns über – was sonst – das Royal Court und das Theater von Joan Littlewood, und die Unterhaltung war von gesundem Menschenverstand und Theaterwissen geprägt. Man erwartete einen Journalisten aus London. Er hatte sich für zwölf Uhr angekündigt. Wir durften erleben, wie Brendan sich in die Rolle des betrunkenen Iren hineinarbeitete. Ich sah, wie Brendan sich dabei beobachtete, als er, Brendan, seine Rolle, einstudierte, diesen Charakter schuf, der neuerdings so oft in den Zeitungen auftauchte, manchmal sogar auf der Titelseite. Brendan nahm einen Mundvoll Whisky aus der Flasche, die er in seiner Hand hielt, sprach ein paar Sätze, gestattete ihnen, Betrunkenheit anzudeuten, und nahm dann einen weiteren Mundvoll Whisky. Als der Mann aus London eintraf und wir die beiden verließen, war Brendan auf dem Höhepunkt seiner Vorstellung als wilder irischer Poet angekommen. Ich nehme an, wenn der Journalist nicht gekommen wäre, dann hätten wir einen angenehmen, halbwegs nüchternen Tag verbracht, zur Unterhaltung fähig und weit vom Zertrümmern von Gegenständen und wilder poetischer Raserei entfernt. Aber das Drehbuch schreibt vor, dass ein irischer Dramatiker trinken muss, und die Medien bestätigen es. Die Medien ließen sich nie eine Gelegenheit entgehen, Brendan als wild und trunksüchtig zu beschreiben, und deshalb war es am Ende der Alkohol, der ihn umgebracht hat – und das war ein großer Verlust für das Theater und uns alle.
Die Person aus dem Ensemble von
Spiel mit einem Tiger
, mit der ich öfter zusammenkam, war Maureen Prior, diejenige, die krank war, als das Manuskript bei ihr eintraf, sich aber trotzdem an einem eiskalten Tag zum Vorsprechen ins Theater schleppte und die Rolle bekam. Maureen Prior war warmherzig, impulsiv, dazu begabt, sofort Freundschaften zu schließen. Ihr Mann dagegen war bedächtig, kalt, intellektuell. Ich dachte: Da haben wir’s wieder einmal. Was würde passieren, wenn es der Natur tatsächlich gefiele, zwei zueinanderpassende Menschen zu verheiraten – zum Beispiel zwei warmherzige, offene, überschwängliche Menschen, dann wäre das Glück bestimmt grenzenlos –; aber andererseits, wenn zwei kühle, leidenschaftslose, gehemmte Leute heiraten würden, dann wären sie vermutlich nie imstande, sich zu umarmen.
Eine Zeit lang war ich viel mit Theaterleuten zusammen, und das nicht nur, weil ein Stück von mir auf dem Spielplan stand. Ein überaus idealistischer Plan wurde ausgeheckt, mit dem Ziel, dem Londoner Theater seine, wie wir es sahen, Steifheit zu nehmen. Es gab glänzende – hell strahlende – Orte: das Royal Court, Bernard Miles am Mermaid Theatre in der City, das Arts Theatre, Oscar Lowenstein. Aber die meisten Theater wurden von kommerziellen Managern geleitet. Die Theaterszene damals unterschied sich erheblich von der, die wir heute haben. Sie wurde geprägt von vielen kleinen innovativen und abenteuerlustigen Theatern, von Theaterstücken, die in Pubs aufgeführt wurden, und vor allem von dem National Theatre und dem südlichen Themseufer. Heute ist es für uns selbstverständlich, dass ein Theater ein gesellschaftliches Zentrum ist, mit den vielfältigsten Aktivitäten – Vorträgen, Studiengruppen, Seminaren, Musik, Restaurants, Buchhandlungen. Aber damals gab es nichts dergleichen.
Die Idee war, ein Lagerhaus in Covent Garden in die Hand zu bekommen und ein Gebilde zu schaffen, das einen Raum schuf für alle nur denkbaren Arten von experimentellem Theater, neue Autoren, Workshops und Stücke aus anderen Ländern, denn damals gelangten nur sehr wenige ausländische Stücke ins Land.
Wer waren wir, diese hoffnungsvollen Träumer? Die Idee stammte von Gareth Wigan. Er war damals Agent (heute hilft er, Warner Brothers in Hollywood zu leiten), und wir trafen uns in seinem Haus in Belgravia. Ted Kotcheff, Ted
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