Schritte im Schatten (German Edition)
Ansicht und Erfahrung nach führt intensiver und häufiger Sex unweigerlich zu ebenso heftigen wie feindseligen Gefühlsentladungen. Tolstoi und D. H. Lawrence haben darüber geschrieben. Woran liegt das? Wir liebten uns, wenn wir in offenen und leeren Landstrichen den Wagen anhielten, in trockenen Gräben, in Wäldern, in Weinbergen, in Olivenhainen. Und stritten. Er war eifersüchtig. Das war absurd, weil ich ihn liebte. In einer Stadt in Murcia, wo es so heiß war, dass wir die Reise für einen ganzen Tag unterbrachen, um in einem Café wenn schon nicht im Kühlen, so doch wenigstens im Schatten zu sitzen, bildete er sich ein, dass ich einem gut aussehenden Spanier schöne Augen machte. Dieser Streit war so grauenhaft, dass wir die Nacht in einem Hotel verbrachten, weil Jack, der Arzt, sagte, unsere Ernährung und der Schlafmangel setzten uns zu sehr zu.
Wir fuhren von Gibraltar aus an den
costas
entlang, an denen es kein einziges Hotel gab, nur ein paar Fischer in Nerja, die uns am Strand Fisch brieten. Wir schliefen im Sand, schauten zu den Sternen auf, lauschten den Wellen. Damals war zwischen Gibraltar und Barcelona die Landschaft, abgesehen von den Städten, noch unberührt, es gab dort nur leere, lange, wundervolle Strände. Kurze Zeit später waren sie verschwunden. Der Tourismus hatte sich mit seinen Hotels breitgemacht.
Im hochgelegenen, windumtosten Ávila standen Unmengen von wundervollen braunen Krügen und Töpfen auf trockenem Schilf. Ich kaufte mir dort den herrlichsten Krug, den ich je besessen habe, für ein paar Pence.
Was mich damals am stärksten berührte und mich selbst heute noch verblüfft, ist der Kontrast zwischen der wilden, strengen, leeren Schönheit von Spaniens Landschaft und der stumpfsinnigen Spießigkeit sogar der billigen Hotels, die wir uns leisten konnten; der Kontrast zwischen der allgegenwärtigen Armut und den Kirchen, die so mit Gold und Juwelen überladen waren, dass sich der Gedanke aufdrängte, dass der gesamte Reichtum der Halbinsel dort zur ewigen Ruhe gebettet worden sein musste.
Wir besuchten Deutschland, dreimal. Das erste Mal, als ich Gottfried finden wollte. Peter hatte den vorangegangenen Sommer dort bei seinem Vater verbracht. Ich hatte Gottfried erklärt, er brauche ihn nicht zu nehmen, wenn er nicht ganz sicher sei, dass es ihm nicht schade. Wie üblich reagierte Gottfried mit Verachtung auf meine politischen Bedenken: Natürlich könne er Peter einladen, wann immer er wolle. Ich sagte, ich sei mir da nicht so sicher; Moidi Jokl war überzeugt, dass er sich irrte. Es stellte sich heraus, dass wir mit unseren Bedenken recht behielten. Deutsche, die die Zeit des Krieges im Ausland verbracht hatten, waren verdächtig, und viele von ihnen verschwanden in Stalins Lagern. Ich war wütend, einerseits weil Gottfried mich jahrelang in Sachen Politik beleidigt und mit Herablassung behandelt, ich aber in Wirklichkeit meistens recht gehabt hatte, und andererseits wegen Peter, der einen liebevollen Vater gehabt hatte und dann von diesem allem Anschein nach fallengelassen worden war.
Heute verstehe ich, was damals passierte. Es war in der Tat eine Frage von Leben oder Tod. Was ich Gottfried vorwerfe, ist, dass er nicht ein paar Zeilen hinausschmuggelte, in denen stand: Ich kann es mir nicht leisten, Kontakt mit dem Westen zu halten, ich könnte dafür umgebracht werden. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen. Stattdessen kamen Leute von einer offiziellen Reise nach Ostdeutschland zurück und sagten: »Ich habe Ihren gut aussehenden Ehemann gesehen. Er ist ein sehr wichtiger Mann. Er lässt Sie herzlich grüßen.« – »Er ist nicht mein Ehemann«, pflegte ich dann zu sagen, »und es ist Peter, der seine Liebe braucht.« Ich hasste Ostberlin. Für mich war es eine Art Sinnbild für das, was am Kommunismus schlecht ist. Aber einige Genossen bewunderten es. Jahrelang, bis zum Zusammenbruch des Kommunismus, sagten sie: »Ostdeutschland hat den richtigen Weg gewählt. Es ist wirtschaftlich den anderen osteuropäischen Staaten weit voraus. Was für ein Jammer, dass die Revolution ihren Ausgang nicht von Deutschland aus genommen hat.«
Eine andere Reise führte Jack und mich nach Hamburg. Jack wollte dort nach einem Freund suchen, der im Krieg verschwunden war. Die Suche blieb ergebnislos. Schwere Bombenangriffe hatten Hamburg heimgesucht, wie man an zahllosen Ruinen erkennen konnte. Es war Februar, dunkel, sehr kalt, ein eisiger Wind wehte von der Nordsee her. Jack sagte, es
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