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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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wahre Wesen des Kommunismus aufgetischt werde. Arnold nahm sich Naomi vor und sagte, wenn sie besagte Erklärung abgebe, dann würden wir alle aus der Delegation ausscheiden und heimreisen. Darüber hinaus erklärte er Douglas Young, der wie gewöhnlich in Naomis Zimmer war, er solle endlich aufhören, in seinem Kilt den Clown zu geben. Ich meinerseits hatte Coppard beizubringen, dass, wenn er auf seiner Erklärung bestehe, wir alle ausscheiden und Naomi ihre Erklärung abgeben würde. Er war fürchterlich niedergeschlagen. Unsere Gespräche fanden in meinem Zimmer statt, eigentlich einer Suite, die aussah wie eine vergrößerte Ausgabe eines viktorianischen Wohnzimmers, schwere Plüschtischdecken, schwere Samtvorhänge, verschnörkelte Spiegel, dicke Teppiche. Er saß auf der einen Seite eines riesigen Tisches, ich auf der anderen. Albert Coppard war ein armer Junge gewesen, hatte »die herrschende Klasse« oder »die da oben« immer gehasst; für ihn wurde Großbritannien ausschließlich zum Wohle der wenigen regiert, und die Gedankenwelt des Kommunismus war für ihn nichts als ein Ausdruck gesunden Menschenverstands. Er war zu einem utopischen Kommunisten geworden, genau wie ich zehn Jahre zuvor. Ich empfand mit ihm. Mehr noch, ich liebte ihn. Er war eine reine Seele, außerstande, das Böse zu begreifen – wenn ich dieses Wort überhaupt gebrauchen darf. Ich habe nur wenige Menschen gekannt, die so liebenswert waren wie er. Seit der Friedenskonferenz in Wrocław (Breslau), die die Welt für ihn in zwei Lager, Gut und Böse, gespalten hatte, lebte er in einer Art Ekstase.
    Über den Weltkongress der Intellektuellen in Wrocław vom 25 . bis 29 . August 1948 muss noch etwas gesagt werden. Es war der erste der großen »Friedens«-Kongresse. Sie wurden in dieser oder jener Form weitergeführt bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion, die Kongresse inszenierte und dirigierte. Sie waren wegen der unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kommunisten und den anderen alle gleich. Ich füge hier zwei Artikel aus der
Times
ein. Aus ihnen kann man entnehmen, wie all die anderen Kongresse, Konferenzen und Tagungen abliefen.

Intellektuelle und Propaganda
Ein Kongress voller Bitterkeiten
    Wrocław, 27 . Aug.
    Die aggressive Eröffnungsrede des sowjetischen Schriftstellers Alexander Fadejew, eine heftige Attacke gegen den amerikanischen Imperialismus und gewisse Auswüchse der westlichen Kultur, überschattete auch heute den Weltkongress der Intellektuellen.
    Mr. Fadejews Rede war tonangebend für die gesamte Veranstaltung, die sich mehr und mehr zu einem der üblichen Schlagabtausche zwischen dem sowjetischen und dem westlichen Standpunkt entwickelt hat. Heute gab es zum Beispiel unter zwei Dutzend Reden nur eine einzige, die die von Mr. Fadejew vorgegebene politische Linie verließ und sich mit intellektuellen Problemen beschäftigte. Sie wurde von dem französischen Schriftsteller M. Julien Benda gehalten, der erklärte, Erzieher und Historiker sollten aufhören, Kriegshetzer zu verherrlichen, »ganz gleich, ob sie gesiegt haben oder geschlagen wurden«. Die Literatur solle sich darauf konzentrieren, die Zivilisation und die Gerechtigkeit zu verherrlichen und diejenigen Menschen, die sich der Zerstörung widersetzen.
    Ansonsten gehörte der Tag den Protagonisten der einen wie der anderen Seite; er war bemerkenswert dank der entschiedenen Erwiderung auf die Rede von Mr. Fadejew durch einen amerikanischen Delegierten, der den Russen deutliche Worte sagte, wie man sie im heutigen Polen in der Regel in der Öffentlichkeit nicht zu hören bekommt. Es war Mr. Bryn J. Hovde, Direktor der New School for Social Research in New York. Mr. Fadejews Rede, sagte er, sei von der Art, dass, wenn sie von einem verantwortlichen Mitglied einer Regierung gehalten worden wäre, sie geeignet sei, »einen vorsätzlichen militärischen Angriff mit propagandistischen Mitteln zu rechtfertigen«. Mr. Hovde sagte ferner, da imperialistische Versuchungen seit jeher mit Macht und Reichtum einhergingen, seien die Amerikaner überzeugt, dass die Sowjetunion »nicht weniger immun gegen sie ist als wir selbst« und dass die Amerikaner der Auffassung seien, dass es, wenn es um die Erringung einer Machtposition in der Welt gehe, die Sowjetunion den übrigen Nationen in nichts nachstehe.
    Der britische Redner heute war Professor J. B. S. Haldane, der sagte, er sei gleichfalls der Ansicht, dass die stärkste Kriegsbedrohung von

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