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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Amerika und den Gefahren des amerikanischen Imperialismus ausgehe. Er kritisierte die Russen, weil sie es unterließen, »umfassende Informationen über die Tatsachen des Lebens in der Sowjetunion« zugänglich zu machen, was, wie er sagte, unerlässlich sei, wenn man britische Intellektuelle beeinflussen wolle.

Konferenz der Intellektuellen
Tirade eines sowjetischen Schriftstellers
    Der Weltkongress der Intellektuellen, von den französischen und polnischen Organisationskomitees als Suche nach einem Weg zum Frieden konzipiert, wurde heute auf eine alles andere als friedliche Art eröffnet. Nachdem der Außenminister, Mr. Medzelewski, die Delegierten willkommen geheißen hatte, begann der sowjetische Schriftsteller Alexander Fadejew die Arbeit des Kongresses mit der üblichen bitteren Tirade gegen den »amerikanischen Imperialismus« und bezog in diesem Fall auch »reaktionäre, aggressive Elemente« der amerikanischen Kultur mit ein.
    Mr. Fadejew attackierte auch Schriftsteller, die »aggressive Propaganda« betrieben. Er nannte T. S. Eliot, Eugene O’Neill, John Dos Passos, Jean-Paul Sartre und André Malraux und sagte: »Wenn Hyänen tippen und Schakale einen Füllfederhalter handhaben könnten, dann würden sie derartige Dinge schreiben«, wie diese Männer es täten. Die Attacke des sowjetischen Schriftstellers löste eine gemäßigte, aber entschiedene Antwort des britischen Schriftstellers Mr. Olaf Stapledon aus, der Mr. Fadejew an den Zweck des Kongresses erinnerte und sagte, wenn man überhaupt zu einer Übereinstimmung kommen wolle, dann müsse sich jeder Einzelne bemühen, »die Standpunkte der anderen zu verstehen«.
    Mr. Stapledon sagte, keine Seite könne Anspruch auf die ganze Wahrheit erheben, und beide Seiten, nicht nur eine, hätten sich schuldig gemacht, weil sie »Instrumente benutzten, die die Wahrheit pervertierten«. Er ging insbesondere auf T. S. Eliot ein und sagte, auch wenn sie seine politische Einstellung nicht teilten, so sei er doch eindeutig eine wichtige Persönlichkeit in der britischen Literatur.
    Mr. Stapledon arrangierte für heute Abend ein privates Treffen zwischen den britischen und den russischen Delegierten, damit sie einander besser kennenlernen können.
     
    Die Delegierten aus Großbritannien waren Sir John Boyd Orr, der Dekan von Canterbury, Professor J. B. S. Haldane, Professor J. D. Bernal, Professor C. H. Waddington, Professor Hyman Levy, Richard Hughes, Olaf Stapledon, Louis Golding, Rutland Brougham, Bernard Stevens, Felix Topolski, Dr. Julian Huxley, A. J. P. Taylor, Denis Saurat, Edward Crankshaw. Eine Liste großer Namen. (Die Liste der
Times
.)
    Zurück zu unserem Authors World Peace Appeal: Am sehr späten Abend, nach diesen endlosen, erschöpfenden Banketten, diesen Reden, Ausflügen hierhin und dorthin – Kolchosen, Ferienlager für Kinder, Museen –, saßen Albert Coppard und ich in meinem Zimmer und tauschten Ansichten aus, bei denen unseren unsichtbaren Mithörern die Ohren gedröhnt haben dürften. Nein, sagte ich, nein, du darfst nicht ins Radio gehen und sagen, dass Stalin der Größte sei, den es je gab, nein, und auch nicht behaupten, Großbritannien sei eine schlimmere Tyrannei als jedes kommunistische Land. Willst du wirklich, dass wir uns alle in der Öffentlichkeit streiten und unseren Zeitungen ein gefundenes Fressen liefern? »Ich sehe nicht ein, wieso wir uns in der Öffentlichkeit nicht streiten sollten«, sagte er, »wenn das unsere Ansicht ist.« Von Zeit zu Zeit versuchte er, mich zu küssen oder Annäherungsversuche zu unternehmen. Mein eisernes Pflichtgefühl verbot amouröses Geplänkel. Außerdem war er
alt
.
    Darüber hinaus hatte ich die Aufgabe, Richard Mason in seinem Zimmer aufzusuchen und ihm mitzuteilen, er dürfe keinesfalls bei jeder sich bietenden Gelegenheit sagen, dass er nie etwas von Tolstoi, Dostojewski oder Gorki gelesen habe. Schließlich kannten unsere Gastgeber die gesamte englische Literatur – die Schriftsteller unter ihnen hatten sie wirklich gelesen –, er hingegen mache uns Schande. »Wer ist Turgenjew?«, konnte er fragen, wenn der Name zur Sprache kam. Ich hielt das zunächst für sein Äquivalent zu Douglas Youngs Kilt. Aber er war wirklich unbelesen. Er behauptete, Schriftsteller sei er rein zufällig geworden. Als sehr junger, einsamer Soldat habe er verwundet in einem Lazarett in – ich glaube – Birma gelegen, sich in seine wunderschöne braune Krankenschwester verliebt und

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