Schroders Schweigen
bereitwillig die folgenden Vorwürfe gegen mich, nämlich:
a) Ich habe oft vergessen, dir einen Zettel zu schreiben und mitzuteilen, wo wir uns gerade aufhielten.
b) Ich habe nicht immer daran gedacht, wie sehr es dir am Herzen lag, Meadow am Ende des Tages zu sehen, und daher hätten wir uns zu Hause aufhalten müssen.
c) Ich habe es gelegentlich versäumt, gewisse gemeinsame, nicht ganz angemessene Aktivitäten oder Ausflüge zu erwähnen, von denen du aber ohnehin meistens erfahren hast, weil irgendeine deiner Freundinnen uns dabei gesehen hat.
d) Ich habe deine Anweisungen schlecht befolgt, vor allem im Hinblick auf Termine und Quoten (zum Beispiel frisches Obst), und ja, wahrscheinlich habe ich irgendwie latent aggressiv auf diese Regelungen reagiert und meinen Unmut mit freundlicher Zerstreutheit überspielt.
Aber ich hab mir Mühe gegeben. Ich habe gut für sie gesorgt.
Eines Tages, als du mich nach deiner Rückkehr wegen irgendeines Versäumnisses zurechtweisen musstest, da sah ich in dein hübsches Gesicht, das in dem Moment so streitsüchtig und verzerrt war, und deine Worte glitten irgendwie an mir ab, und ich erkannte, dass du möglicherweise eifersüchtig warst. Du warst eifersüchtig, dass ich mit Meadow zusammen sein durfte, während du dich mit anderer Leute Kinder zufriedengeben musstest. Diese Erkenntnis erweichte mich. Du hast mir leidgetan, und zwar für etwas, was mir wie ein Pyrrhussieg der berufstätigen Mutter vorkam. Ich entschuldigte mich für die Fremdwörter, die ich Meadow beigebracht hatte, um in der Öffentlichkeit eine Geheimsprache zu haben. Ich sah genau wie du, dass ich damit einen Keil zwischen uns trieb. Und so versuchte ich dich mehr miteinzubeziehen und dir immer einen Zettel dazulassen und für jede gemeinsame Stunde Rechenschaft abzulegen und überhaupt bis zum Erbrechen lieb zu dir zu sein. Du solltest glücklich sein, nichts wollte ich mehr. Ich wollte dir vor Augen führen, dass du alles hattest, was du dir nur wünschen konntest. Einen ehrbaren Job. Ein begabtes Kind. Einen Ehemann, der innerlich so gefestigt war, um es ein Elternjahr lang bei seinem Kind auszuhalten. Und ein Zuhause – wir hatten ein ausgesprochen schönes Zuhause –, eine Maisonettewohnung in einem himmelblauen Mietshaus in der Morning Street.
Es wurde Frühling, und du warst besserer Stimmung, aber da war noch immer eine Art Missmut mir gegenüber in dir, und den konnte ich nicht ausräumen. Mit der Zeit fragte ich mich, ob du ein zweites Kind wolltest, ob es das war. Vielleicht wolltest du eine zweite Chance. Vielleicht wolltest du sichergehen, dass wenigstens ein Kind dir gehörte, nur dir allein. Das konnte ich verstehen. Etwas Eigenes haben zu wollen, das verstehe ich. Schließlich wollte ich ja auch, dass du nur mir gehörst. In jenem Frühling brachte ich das Thema zur Sprache, eines Abends in der kleinen Küche.
»Noch mehr Kinder?«, fragtest du mit dem Teller in der Hand, und du wandtest dich um. »Wieso ›noch mehr‹? Wieviel ›mehr‹ willst du denn?«
Ich nahm dir den Teller aus der Hand, um ihn abzutrocknen. Wieder einmal versuchten wir, gleichzeitig den Abwasch zu machen und zu reden, was wahrscheinlich zu unser beider Gereiztheit beitrug.
»Dann eben noch eins. Noch ein Kind. Und du, Laura?«
Einen langen Moment blicktest du mich an. Dann sahst du wieder in die Spüle und sagtest: »Ach, Eric.« Du wandtest dich ab, und mein Name ging im Rauschen des Wasserhahns unter. Ich sah dir zu, wie du die Teller mit den Nudelsoßenresten stapeltest, und wartete, ob noch etwas käme.
»Du wirkst unleidig«, sagte ich dann.
» Un leidig.«
»Hast du auch was gegen das Wort?«
»Ja«, sagtest du. »Habe ich.«
»Was ist daran falsch?«
»Es ist so kalt, das ist daran falsch. Un leidig. Das klingt so nach billigem Historiendrama.«
»Es kommt aus dem Germanischen«, sagte ich achselzuckend.
»Das ist mir egal. Ich bin deine Frau, Eric. Es sind nur wir beide hier. Wir haben kein Publikum. Das Wort, das du für mich verwenden müsstest, ist traurig . Oder unglücklich .«
»Okay.« Ich stapelte einen weiteren getrockneten Teller auf die Küchentheke. »Bist du unglücklich?«
Du dachtest kurz nach. »Nein.«
»Na, dann ist ja gut.«
»Einsam, manchmal.«
»Du bist einsam? Warum bist du einsam?«
»Weiß ich nicht. Ich fühle mich oft einsam. Wenn wir aneinander vorbeireden. Manchmal denke ich, uns liegt gar nichts daran, einander zu verstehen, so wie früher. Ich kann
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